Leidenschaft der Nacht - 4
Unrecht?«
»Nein, verdammt!« Das würde sie niemals zugeben. Sie hatte damals recht gehabt und hatte es auch heute. Sie tat, was sie tun musste, und dafür würde sie sich keinesfalls entschuldigen! Nicht, solange er kein einziges Wort der Reue über die Lippen gebracht hatte.
»Folglich hast du keinen Anlass, dich in irgendeiner Weise schuldig zu fühlen.«
»Wenn sich einer von uns schuldig fühlen sollte, bist es ja wohl du! « Schmerz.
Wut. Verlust. Diese drei Empfindungen bildeten eine bedenkliche Mischung in ihr. »Ich habe dich geliebt, dir vertraut, und du hast alles zerstört.«
»Liv … «
Nein, sie wollte das nicht hören. Mit einem dumpfen Knall stellte sie ihr Glas auf den Tisch. »Du hast mich vergewaltigt, Reign! Nach allen gültigen Regeln und Maßstäben war es eine Vergewaltigung, als du mich ohne meine Zustimmung gebissen hast.«
Noch dazu in ihrer Hochzeitsnacht. Er hatte seine Zähne in sie gegraben, und als sie sich wehrte, ihn anflehte, er möge aufhören, hielt er sie umso fester. Bei der Erinnerung an den Schmerz wanderte Olivias Hand unwillkürlich an ihren Hals, an jene Stelle, wo die Wunde gewesen war, aus der er gierig getrunken hatte - während sie schluchzte. Und danach hatte er sie gezwungen, aus dem Schnitt an seinem Handgelenk zu trinken, um die Wandlung zu vollenden.
Eine Verwandlung, der sie um seinet- wie auch um ihrer selbst willen zugestimmt hätte, wäre er bereit gewesen, ihr Zeit zu lassen. Er hätte ihr Zeit geben müssen, sich mit dem Gedanken anzufreunden, Fragen zu stellen und ein gewisses Maß an Kontrolle über ihr eigenes Schicksal zu behalten.
Doch er hatte ihr keine Wahl gelassen.
»Es wäre meine Entscheidung gewesen«, murmelte sie und biss die Zähne zusammen, um gegen die Tränen zu kämpfen. All die schmerzhaften Gefühle, die Reigns Betrug ihr verursacht hatte, drangen abermals an die Oberfläche. »Ich hätte sie treffen müssen, aber du hast sie mir genommen! «
Angst verfinsterte seine kantigen Züge, machte seine Augen dunkler und seinen Mund schmaler. »Es tut mir leid.«
Pah, diese simplen Worte kamen einem Tritt in die Magengrube gleich! Sie kamen zu spät - viel zu spät. Das jedenfalls redete sie sich ein, während ihr verräterisches Herz vor Hoffnung und Sehnsucht überging.
»Ich hätte deine Entschuldigung vor dreißig Jahren gebraucht«, bemerkte sie frostig. »Heute nützt sie mir nichts mehr.« Das war eine Lüge, und sie wusste es.
Vielleicht war es ihm ebenfalls klar.
»Du willst nicht einmal versuchen, mir zu vergeben, nicht wahr?«
Der Schmerz in seinem Gesicht war entsetzlich, und Olivia wandte sich ab. »Ich weiß nicht, ob ich es kann. «
Er machte keinerlei Anstalten, sie zu berühren, sondern saß wie versteinert da. Sein Herz klopfte leise und ruhig, während Olivias beinahe wie ein menschliches pochte.
»War dein Leben so furchtbar? War es so schrecklich, ein Vampir zu sein?«
Sie dachte an all die Freunde, die sie verloren hatte, die Angehörigen, an Rosemary und James. Und sie dachte an all die Tage, die sie einsam in ihrem Bett verbrachte, in dem Wissen, dass sie auch den kommenden wieder allein dort läge. Ihr gingen die dunkelhaarigen jungen Männer durch den Kopf, bei denen sie sich Trost und Nahrung holte, wie an den Mann, der ihr jetzt gegenübersaß, der sie drei Jahrzehnte lang jede Minute verfolgt hatte, selbst wenn sie schwor, gar nicht an ihn zu denken.
»Ja«, flüsterte sie, »ja, das war es.«
Reign wurde kreidebleich. Sein Wangenmuskel zuckte, als er sich mit der Hand über das Gesicht rieb. »Es hätte nicht schrecklich sein müssen, wärst du geblieben und hättest mir erlaubt, meinen Fehler wiedergutzumachen. Das hätte für uns beide besser sein können.«
Seine Worte schmerzten umso mehr, als er die Wahrheit sprach. Vielleicht hätte sie ihm vergeben können, wäre sie geblieben und hätte ihn wenigstens versuchen lassen, alles wiedergutzumachen. Aber wie sollte er? »Wenn. du so dringend Abbitte leisten wolltest, warum hast du dann dreißig Jahre geschwiegen?«
»Weil ich glaubte, du würdest mich nicht anhören.« Seine schwarzen Brauen zogen sich zusammen. »Ich bin nicht einmal sicher, dass du jetzt zuhörst.«
»Wovon zum Teufel redest du?«, fragte sie wütend.
Er stand auf, so dass er sie wie ein dunkler Engel überragte. Aber sie hatte keine Angst. Vielmehr wünschte sich ein Teil von ihr, er würde sie packen und nach oben zu sich ziehen. Sie wollte, dass sein Zorn ihren
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