Leidenschaft der Wüste: Sie suchte seinen Schutz - und fand die Liebe (German Edition)
Zeichen an, ohne dass sich ihm ein Sinn erschloss. Er hatte es schon wieder vergessen! Englisch las man von links nach rechts. Rückwärts, nicht wie Arabisch von rechts nach links, also zum Herzen hin. Und die Buchstaben sahen vollkommen anders aus als die arabischen.
»M-mm-ei-n. M-mein. L-l-l-ie-ber.«
Wütend und enttäuscht von sich schlug er die Faust auf seinen Schenkel. Diese Buchstaben konnte er nicht lesen. Er konnte ja nicht einmal seinen eigenen verfluchten Namen buchstabieren! Seine Unterschrift war ein schlechter Witz. Die großen Schleifen und kleinen Bögen sahen aufgeblasen, offiziell und herzoglich aus, aber sie bedeuteten nichts.
In Arabisch konnte Kenneth seinen Namen buchstabieren. Er verschlang arabische Bücher. Bloß Englisch konnte er nicht lesen und schreiben.
Jabari, der beide Sprachen beherrschte, hatte ihm Arabisch beigebracht, bis er es ebenso flüssig las und schrieb wie ein gebürtiger Ägypter. Leider hatte er ihn die englische Schrift nicht gelehrt. Er hatte es vorgehabt, oh ja. Aber Khepri war so sehr Teil von ihnen geworden, so ägyptisch, so Khamsin , dass niemand es für nötig hielt. Und ihm selbst war es wichtiger gewesen, ein begnadeter Kämpfer wie Jabari und Ramses zu werden. Seine Bildung war ihm darüber zu gleichgültig geworden, als dass er sich die Mühe machen wollte, zu seinen Studien zurückzukehren.
Vor seiner Rückkehr nach England hatte er keine Sekunde bereut, kein Englisch lesen zu können – bis zu dem Tag, an dem sein Großvater ihm von den Briefen in der Truhe erzählt hatte, die auf dem Dachboden stand. Es waren Briefe, die Kenneths Vater am Tag seiner Geburt zu schreiben begonnen hatte, eine Art Tagebuch, in dem er sein Leben beschrieb, das sanfte Lächeln seiner Mutter, die Neigung seines Bruders Graham, an Weihnachten alle Lebkuchen auf einmal aufzuessen, die Zeit seines Vaters in Oxford. Seine ganze Familiengeschichte stand in ständig blasser werdender Tinte auf den vergilbten Seiten.
Und Kenneth konnte nicht ein einziges verfluchtes Wort davon lesen.
Behutsam legte er den Brief zurück. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, als sein Blick auf ein gefaltetes blaues Tuch fiel. Das blaue Binish eines Khamsin, Krieger des Windes. Mit zitternder Hand strich er über den Stoff. Weiter unten in der Truhe lag eine metallene gebogene Schwertscheide. Kenneth hob sie heraus. Er sehnte sich danach, den matten verzierten Silbergriff zu sehen.
Langsam zog er den Krummsäbel aus der Scheide und hielt ihn in die Höhe. Er schloss die Augen und versuchte, den tiefen gedehnten Schrei auszustoßen, den er gelernt hatte. Heraus kam nur ein heiseres Krächzen.
Kenneth schluckte und legte die Waffe zurück. Er war kein Khamsin mehr. Er war jetzt der Duke of Caldwell. Der Analphabet.
Mit einem Knall, der das dumpfe Pochen seines Herzens zu verhöhnen schien, schloss er den Deckel der Truhe. Er starrte sie an, bis ihm ein quälender Gedanke kam.
Warum hatte Badra ein Buch gewählt, das er absichtlich außer Reichweite aufbewahrte? Hätte er sie nicht damit gesehen, wäre er niemals seiner Lust erlegen, aber das war es nicht, was ihn beschäftigte.
Eilig lief er in die Bibliothek zurück, stieg die Leiter hinauf und ging die Bände durch. Er hatte die Antwort schnell gefunden: Die Halskette von Prinzessin Meret fiel zwischen zwei Büchern hervor.
Kenneth betrachtete das gestohlene Schmuckstück, das Badra hier versteckt haben musste. Warum? Hatte sie es Rashid weggenommen? Einerseits war er dankbar, sein Eigentum wiederzubekommen, andererseits lösten die Umstände, unter denen er es zurückerhielt, Hunderte von Fragen aus.
Er befühlte das Gold und die Halbedelsteine wie ein Liebender. Doch dieser Schatz war leblos, und tausendmal lieber würde er einen viel kostbareren in den Armen halten: Badra. Sie hatte sich um sein Herz gewunden wie die Schlange um einen Stab, und er war auf immer ihr Sklave.
Kenneth dachte an den Anruf von seinem Cousin heute Nachmittag. Victor hatte für sie beide die Überfahrt gebucht. Zaid war bereits auf einem Dampfschiff nach Ägypten unterwegs. In Ägypten würde er Badra wiedersehen, dessen war er sich sicher.
Kapitel 10
K airo. Eine Flut von Bildern und Gerüchen schlug ihm in Wellen entgegen, und eine Kakophonie von Geräuschen dröhnte in seinen Ohren. Kenneth saß auf einem Korbstuhl auf der breiten Terrasse des Shepherd’s Hotels. Zwiebeltürmige Minarette ragten glänzend aus dem Stadtpanorama, und die Muezzin riefen
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