Leidenschaft des Augenblicks
auf die Zehenspitzen, um David einen kurzen Abschiedskuß auf die Wange zu geben. »Mach dir keine Sorgen. Ich rede mit ihm.«
»Hatchard hat recht. Ich sollte dich wirklich nicht darum bitten. Du hast weiß Gott schon genug für mich getan, als du Onkel Vincent klargemacht hast, daß ich nicht dafür geschaffen bin, sein Erbe bei Benedict Fasteners anzutreten.« David lächelte schuldbewußt. »Weißt du, ohne deine Hilfe säße ich wahrscheinlich heute noch dort. Sogar Mom hat seinerzeit auf mich eingeredet, ich solle mich einfach mehr anstrengen.«
»Du wärst todunglücklich geworden bei Benedict Fasteners. Das sieht doch ein Blinder.«
»Keineswegs. Du warst die einzige, der es von Anfang an aufgefallen ist. Dem Himmel sei Dank für Sam Hatchard. Wenn er nicht wäre, würde Onkel Vincent wahrscheinlich versuchen, aus dir oder Elizabeth eine eiskalte Geschäftsfrau zu machen.«
»Ich bin mir nicht so sicher, ob Sam Hatchard wirklich ein Geschenk des Himmels ist.«
David öffnete die Tür zur Lobby und grinste. »Da könntest du recht haben. Er ist nicht gerade ein Engel. Aber mach dir darüber keine Gedanken, Jessie. Du weiß schon, wie man ihn behandeln muß. Ich setze mein Geld jedenfalls auf dich.«
»Verdammt, David, das hier ist keine Sportveranstaltung!« rief Jessie ihm nach, als er das Apartmenthaus verließ und in der Dunkelheit verschwand.
Aber es war zu spät. Ihr Cousin war bereits auf der Straße angekommen. Er hob eine Hand zum Abschied, blickte sich aber nicht mehr um.
Jessie stand hinter der Glastüre und starrte mehrere Minuten lang in die tiefschwarze Nacht hinaus. Dann drehte sie sich um und ging langsam die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf. Dabei überlegte sie, ob es wohl schwierig werden würde, Hatch die gewünschten Informationen zu entlocken und ihn dann möglichst schnell nach Hause zu schicken. Eine innere Stimme sagte ihr, daß das problematisch werden könnte.
Und sie behielt recht. Daß es Probleme geben würde, war ihr von dem Augenblick an klar, in dem sie die Wohnungstür aufsperrte und ihn fest schlafend auf der Wohnzimmercouch liegen sah. Er hatte sich nicht einmal die auf Hochglanz polierten Schuhe ausgezogen.
Jessie zog leise die Tür ins Schloß und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Wenn sie auch nur einen Funken Verstand besaß, würde sie ihn aufwecken und hinauskomplimentieren müssen.
Auf keinen Fall durfte sie ihm erlauben, über Nacht zu bleiben, auch nicht hier auf der Couch. Damit würde sie einen folgenschweren Präzedenzfall schaffen. Und ein Mann wie Hatch würde keine Hemmungen haben, das für sich auszunutzen. Eines führte automatisch zum anderen. Am nächsten Morgen erwartete er bestimmt Frühstück von ihr.
Das war viel zu gefährlich. Wenn sie ihn jetzt nicht hinauswarf, würde er sich in ihrer Wohnung bald ganz zu Hause fühlen.
Jessie ging langsam ins Zimmer und überlegte, wie sie ihn am besten wecken könnte. Neben dem Sofa blieb sie stehen und sah eine ganze Weile auf Hatch hinab. Seine Kraft und Willensstärke waren so sehr Teil seines Charakters, daß nicht einmal der Schlaf diesen Ausdruck aus seinem Gesicht fortwischen konnte. Von Rechts wegen hätte er zumindest ein bißchen verwundbar aussehen müssen, aber das war nicht der Fall.
Jessie überlegte, ob Haie jemals schliefen.
An der Tatsache, daß Hatch zu Tode erschöpft war, bestand kein Zweifel. Der Mann arbeitete viel zuviel. Vierzehn Stunden am Tag plus der Zeitaufwand, den es ihn kostete, um sie zu werben.
Sie betrachtete die starken, schlanken Finger der geschmeidig männlichen Hand, die entspannt auf dem schwarzen Lederkissen lag. Seine gefährlichen, kraftvollen Hände drückten alles aus, was sie an Hatch anziehend und abstoßend fand.
Mit einem leisen Seufzer wandte Jessie sich ab und ging zum Schrank, um eine Wolldecke herauszuholen. Es war ein Fehler. Sie würde es bereuen. Das wußte sie. Aber sie brachte es einfach nicht fertig, ihn aus seinem ehrlich verdienten Schlummer zu wecken.
Vorsichtig zog sie ihm die Schuhe aus und breitete die Decke über ihn.
Als sie damit fertig war, begab sie sich in die Küche und stellte das Geschirr in die Spülmaschine. Dann warf sie die leere Weinflasche in den Altglasbehälter, den Elizabeth ihr geschenkt hatte, und machte sich fürs Bett fertig.
Mehrere Stunden später fuhr Jessie abrupt aus dem Schlaf hoch. Sie setzte sich im Bett auf und blickte sich verwirrt um. Zum einen klingelte das Telephon auf ihrem Nachttisch, und zum
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