Leidenschaft des Augenblicks
anderen stand ein halbnackter Mann in der Schlafzimmertür. Sie wußte nicht, was von beidem sie geweckt hatte.
Ein paar Sekunden lang war sie wie gelähmt, saß nur starr da und hielt mit beiden Händen den Rand der Bettdecke umklammert.
Das Telephon läutete erneut.
»Besser, du gehst dran«, riet Hatch, eine Hand an den Türstock gestützt.
Jessie blinzelte und streckte die Hand nach dem Hörer aus.
»Jessie? Hier ist Alex. Alex Robin. Ich rufe von Ihrem Büro aus an. Tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe, aber ich dachte mir, daß Sie vielleicht vorbeikommen sollten. Ich war vorhin was essen, und als ich zurückkam, stand die Tür von Valentine Consultations offen. Haben Sie denn nicht abgesperrt, als Sie gingen?«
»Doch.« Jessie strich sich das Haar aus der Stirn und versuchte nachzudenken. »Natürlich habe ich abgeschlossen, Alex. Ich bin mir absolut sicher, weil ich darauf immer besonders achte.«
»Das weiß ich. Hören Sie - ich glaube, daß jemand hier gewesen ist, aber ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit sagen.
Es wäre vielleicht besser, wenn Sie herkämen und nachsehen würden, ob irgend etwas fehlt. Vielleicht rufen Sie auch die Polizei an und melden einen Einbruch. Sofern jemand hier eingebrochen ist.« Alex machte eine kurze Pause. »Soweit ich sehen kann, ist allerdings nichts kaputt oder so.«
»Ich bin gleich da, Alex. Vielen Dank.«
Nachdenklich legte Jessie den Hörer wieder auf die Gabel und blickte dann Hatch an, dessen Gesicht im Schatten lag. Ihr fiel auf, daß er lediglich Boxershorts anhatte. Wie war das doch mit dem Sich-zu-Hause-fühlen? Gib dem Mann den kleinen Finger, und er nimmt sich die ganze Hand.
»Ich muß rüber ins Büro. Alex, der Computermensch, der im Erdgeschoß arbeitet, meint, daß möglicherweise jemand bei Valentine Consultations eingebrochen hat.« Jessie schlug das Deckbett zurück und merkte erst jetzt, daß ihr Nachthemd bis zur Taille hochgerutscht war. Hastig schlüpfte sie wieder unter die Steppdecke. »Hast du was dagegen?«
»Nein.« Hatch gähnte und fuhr sich mit den Fingern durch das zerzauste Haar. »Ich komme mit. Ich hatte ja keine Ahnung, daß das Leben einer Hilfs-Wahrsagerin derart aufregend ist. Du hast ja schlimmere Arbeitszeiten als ich.«
5. Kapitel
»Es ist fast drei Uhr früh«, murmelte Hatch, als er seinen Mercedes vor dem Haus einparkte, in dem sich das Büro von Valentine Consultations befand.
Er war nicht gerade begeistert darüber, daß seine erste Nacht in Jessies Wohnung auf diese Art und Weise unterbrochen worden war. Zugegeben, er war nicht mit ihr im Bett gewesen; aber als er entdeckte, daß sie ihm erlaubt hatte, auf der Couch zu schlafen, hatte er gewußt, daß dies einen entscheidenden Fortschritt bedeutete. »Was zum Teufel macht dieser Alex um nachtschlafende Zeit im Büro?«
»Er ist ein Computerfreak«, erläuterte Jessie, während sie die Wagentür öffnete. »Er arbeitet zu den verrücktesten Zeiten.«
Sie sprang aus dem Auto und eilte, nach ihren Schlüsseln suchend, auf den dunklen Hauseingang zu.
»Jessie, warte.« Hatch stieg aus und schlug die Autotür hinter sich zu, bevor er ihr über den Bürgersteig folgte. Die junge Dame war einfach viel zu impulsiv. Unverantwortlich leichtsinnig. In dieser Hinsicht würde er mäßigend auf sie einwirken müssen.
»Nicht so schnell!«
»Hatch, bitte! Ich habe dir erlaubt mitzukommen, weil du darauf bestanden hast, aber glaube bloß nicht, daß du deshalb hier das Sagen hast. Heb deine dynamischen Führungsqualitäten für Benedict Fasteners auf.« Sie wollte gerade aufsperren, als sie merkte, daß die Tür nur angelehnt war.
Bevor sie den Arm ausstrecken und sie weiter aufstoßen konnte, legte Hatch seine Hand über ihre. Ihre schlanken Finger und das schmale Handgelenk fühlten sich überraschend zerbrechlich an. »Ich habe doch gesagt, nicht so schnell«, wiederholte er leise.
Sie senkte den Blick und betrachtete seine Hand, die die ihre bedeckte. Er wußte, daß sie überlegte, ob sie es auf einen Machtkampf ankommen lassen sollte. Sie sah ihm kurz in die Augen, und er bemerkte ihren Ärger. Offenbar war ihr klargeworden, daß sie keine Chance hatte, seinen Griff loszuwerden.
»Verdammt noch mal, Hatch. Die Tür steht doch schon halb offen. Alex muß sie für uns aufgemacht haben.«
»Okay. Ich gehe voraus.« Ohne eine Antwort abzuwarten, schob er Jessie sanft zur Seite und öffnete die Tür. Er trat über die Schwelle in den dunklen Gang und
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