Leidenschaft des Augenblicks
die Aktentasche deponiert hatte.
»Hatch, warte. Wage es ja nicht, zu verschwinden, bevor wir diese Angelegenheit ausdiskutiert haben. Hatch, komm wieder her. Ich meine es ernst. Ich schwöre dir, wenn du nicht sofort herkommst, dann werde ich... Oh, verdammt.«
Er zog leise die Tür hinter sich ins Schloß und trat auf den Gang hinaus.
Hatch war nicht im mindesten überrascht, Vincent auch Sonntag vormittag in seinem Büro anzutreffen. Der ältere Mann verbrachte seine Wochenenden ebenso in der Firma, wie Hatch das gewöhnlich tat. Benedict blickte auf und runzelte die Stirn, als Hatch seinen Kopf durch die Tür steckte, um ihm mitzuteilen, daß er hier sei.
»Wo zum Teufel haben Sie sich rumgetrieben?« tobte Vincent. »Seit halb acht probiere ich dauernd, bei Ihnen anzurufen, um zu erfahren, wie es in Portland gelaufen ist.«
»Großartig ist es gelaufen. Wenn Sie mich das nächste Mal nicht zu Hause erreichen, probieren Sie es bei Jessie.«
Benedict blinzelte, und dann stieg ihm die Röte ins Gesicht. »Sie haben bei ihr übernachtet? Sie schlafen mit meiner Jessie?«
»Besser, Sie gewöhnen sich an den Gedanken, Vincent. Ich habe vor, sie zu heiraten, das wissen Sie doch.«
»Ich würde Ihnen auch raten, sie zu heiraten, sonst muß ich meine Schrotflinte rausholen.« Vincent trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch, und seine Augen wurden schmal. »Ich nehme an, das ist ein Zeichen, daß zwischen euch beiden jetzt alles klar ist?«
»Ich hoffe es. Aber bevor ich es vergesse: Ich werde diese Woche ein paar Tage nicht ins Büro kommen können. Jessie und ich fahren kurz weg, weil sie die Sache mit der Sekte unbedingt weiterverfolgen will. Sie kümmern sich um alles, während ich weg bin, nicht wahr? Aber treiben Sie uns nicht in den Bankrott, okay?«
»Um Himmels willen, Hatch. Sie sind der Geschäftsführer dieses Unternehmens. Sie können nicht einfach so für ein paar Tage verschwinden.«
»Was hat man denn davon, der Chef zu sein, wenn man nicht einmal ein paar Tage freinehmen kann, wenn einem danach ist?« brummte Hatch.
»Gottverdammt, Jessies sogenannter >Fall< ist einfach idiotisch. Verschwenden Sie doch nicht Ihre Zeit mit einem solchen Schwachsinn.«
»Mir bleibt keine andere Wahl. Jessie ist wild entschlossen, ihre Zeit damit zu vergeuden, und das heißt, daß ich dasselbe tun muß. Sie wollen doch sicher nicht, daß ich sie da alleine hinfahren lasse, oder?«
»Verdammt, nein. Natürlich nicht. Ich will, daß sie überhaupt nicht hinfährt.«
»Sie ist aber nicht davon abzubringen. Folglich fahre ich mit und versuche, auf sie aufzupassen.«
Vincent blickte ihn finster an. »Es überrascht mich, daß Sie sich so vor ihren Karren spannen lassen. Wenn Sie sie nicht besser im Griff haben, sind Sie vielleicht doch nicht der Richtige für sie.«
Hatchs Finger verkrampften sich. Er lächelte gezwungen. »Halten Sie sich da raus, Vincent. Vergessen Sie nicht, daß ich hier das Sagen habe.«
»Ich kann Sie jederzeit rauswerfen, daran sollten Sie denken.«
»Das würden Sie nicht tun. Wenigstens nicht, solange ich dafür sorge, daß Sie bekommen, was Sie wollen. Und das habe ich bisher doch noch immer getan, oder etwa nicht? O ja, übrigens noch herzlichen Glückwunsch zu Elizabeths erstem Preis bei dem Wettbewerb.«
»Ja. Danke.« Vincent nickte stolz. »Den klugen Kopf hat sie von ihrem Vater.«
Jessie ließ sich in den Stuhl neben ihrer Mutter fallen und sah geduldig zu, wie Lilian zwölf Paar Schuhe anprobierte. Die Verkäuferin, die das Dutzend Schachteln herangeschleppt hatte, schien sich nicht im mindesten darüber zu wundern, daß jemand so viele verschiedene Schuhe sehen wollte. Schließlich war Lilian Benedict eine langjährige Stammkundin des Hauses und ging nie, ohne nicht wenigstens ein Paar gekauft zu haben.
»Es ist dir also wirklich ernst damit, zu den San Juan Islands hinauszufahren, um diese Sekten-Zentrale zu besichtigen?« Lilian musterte skeptisch die braunen Lackschuhe, die sie gerade anhatte.
»Aber ja doch«, sagte Jessie fröhlich. »Die finde ich nicht so toll. Die hellen Pumps stehen dir viel besser.«
Genau genommen stand Lilian Benedict fast alles, was sie anprobierte. Sie besaß denselben Instinkt für Mode wie Constance. Lilian war ein paar Jahre älter als Constance, tönte ihr Haar jedoch auf sein ursprüngliches Kastanienbraun und ließ nur einige wenige attraktive Silbersträhnen durchscheinen. Ihre volle, sehr weibliche Figur war noch immer
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