Leidenschaft des Augenblicks
an. »Wovon sprichst du?«
»Von Hatchs erster Frau. Ich hoffe, daß ich ein anderer Typ bin als sie. Ich habe nämlich keine Lust, als Ersatz für eine Verblichene einzuspringen.«
Lilian runzelte die Stirn. »Um Himmels willen, Jessie. Es be-steht überhaupt kein Grund, die Situation derart zu dramatisieren. Du nimmst das Ganze eindeutig zu wichtig.«
»Du hast recht. Schließlich geht es ja in erster Linie um das Geschäft, nicht wahr?«
»Weißt du, ich wundere mich wirklich, wie du es fertiggebracht hast, Hatch dazu zu überreden, ein paar Tage freizunehmen, nur um mit dir auf die San Juan Islands zu fahren«, sagte Lilian, um das Thema zu wechseln.
Jessie starrte finster auf die Abendschuhe. »Im Grunde ist das doch ganz natürlich. Wie ich schon gesagt habe: Es geht ja schließlich in erster Linie ums Geschäft.«
8. Kapitel
Der Gesundheitszustand von Mrs. Valentine, die an diesem Montag vormittag in einem altmodischen Schaukelstuhl im Wohnzimmer des Hauses ihrer Schwester saß, hatte sich wesentlich gebessert. Doch als Jessie mit ihrem Bericht fertig war, verfinsterte sich ihre Miene deutlich.
»Sie wollen da hinfahren? Zur Zentrale dieser DEL-Leute? Ach, meine Liebe, diese Idee gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht.«
»Machen Sie sich bitte keine Sorgen«, beruhigte Jessie sie. »Ich bin nicht allein. Hatch kommt mit. Und wir wollen schließlich nur die Einrichtungen besichtigen. Wir werden nicht versuchen, Susan Attwood da rauszuholen oder etwas anderes in der Richtung. Sie wissen doch: Wir haben lediglich vor, Beweise dafür zu sammeln, daß dieser Bright ein Betrüger ist.«
»Oh, meine Liebe«, sagte Mrs. Valentine wieder und spielte nervös mit den Tarotkarten, die auf ihrem Schoß lagen. »Haben Sie Mrs. Attwood davon erzählt?«
»Natürlich.« Jessie erinnerte sich sehr genau an die Unterhaltung mit Martha Attwood, die sie vor ihrem Besuch bei Mrs. Valentine angerufen hatte. Mrs. Attwood war ausgesprochen aufgeregt, weil nun endlich etwas Konkretes geschehen sollte. »Sie wartet gespannt auf unseren Bericht. Sie möchte vor allem wissen, ob ihre Tochter sich noch auf der Insel aufhält. Ich weiß zwar nicht, ob es uns gelingt, das herauszufinden, aber vielleicht haben wir ja Glück. Hatch und ich werden jedenfalls Augen und Ohren offenhalten.«
»Meine Liebe...« Plötzlich schien Mrs. Valentine zu erstarren. Sie sah Jessie durchdringend an. »Jessie, ich glaube, ich habe da so ein Gespür. Eine Art Vorahnung. Wissen Sie, was ich meine?«
»Eine übersinnliche Vorahnung? Mrs. Valentine, das ist ja wunderbar. Vielleicht kehren Ihre Kräfte allmählich zurück.«
Mrs. Valentine schüttelte enttäuscht den Kopf. »So ist es leider nicht. Nicht so deutlich wie vor meinem Sturz. Aber ich glaube trotzdem, daß die Sache gefährlich ist. Soviel kann ich sicher sagen, Jessie, es gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht. Ich denke, es wäre besser, wenn Sie nicht zu der Insel rausfahren würden.«
»Aber Mrs. Valentine, ich will mir die DEL-Zentrale doch nur einmal aus der Nähe ansehen.«
Mrs. Valentine seufzte tief. »Dann müssen Sie mir wenigstens eines versprechen.«
»Natürlich, Mrs. Valentine. Was denn?«
»Daß Sie nichts überstürzen. Versprechen Sie mir, nichts ohne Sam Hatchard zu unternehmen. Er scheint ein vernünftiger Mann zu sein. Ich denke, wir können uns auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen.« Doch völlig überzeugt schien Mrs. Valentine von dieser Feststellung nicht zu sein.
Am Abend desselben Montags rief Jessies Tante Glenna bei ihr
an.
»Lilian hat mir gesagt, daß du die Adresse von diesem DEL-Menschen hast und entschlossen bist, morgen hinzufahren und dir die Zentrale anzusehen«, sagte Glenna Ringstead, und es war deutlich herauszuhören, daß sie diese Entscheidung mißbilligte. »Hältst du das wirklich für eine gute Idee, Jessie?«
»Ich fahre ja nicht allein. Hatch kommt mit.« Allmählich gewöhnte Jessie sich daran, Hatch vorzuschieben, wenn jemand Bedenken zu ihrem Ausflug auf die Insel äußerte. Die Tatsache, daß er sie begleitete, schien alle irgendwie zu beruhigen.
»Aha.« Am anderen Ende der Leitung herrschte bedeutungsschweres Schweigen. »Ich schließe daraus, daß sich die Beziehung zwischen euch vertieft hat?«
Jessie wußte nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie sah auf die Uhr, stellte fest, daß es bereits nach sieben war, und überlegte, ob Hatch wohl noch im Büro wäre. »Freu dich nur nicht zu früh, Tante Glenna.
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