Leidenschaft des Augenblicks
seiner Familie es der Stiftung vermacht. Und Dr. Bright hat die Gelegenheit genutzt, sein Hauptquartier hierher zu verlegen. Die Vorbesitzerin war eine Anhängerin von DEL.«
»War?« Hatch warf ihr einen kurzen Seitenblick zu.
»Die Dame war schon sehr alt«, sagte Sherry traurig. »Sie ist gestorben, kurz nachdem sie DEL als Alleinerben eingesetzt hat.«
»Irgendwie schon komisch, nicht wahr?« murmelte Jessie. »Das ehemalige Anwesen eines Holzbarons als Zentrale für eine Umweltorganisation zu nutzen. Ausgleichende Gerechtigkeit, möchte man sagen.«
Landis lachte leise. »Nicht ganz. Aber das erkläre ich Ihnen später. Normalerweise beginnen wir die Führungen mit einem Videofilm über die Arbeit von DEL.« Er öffnete das Hauptportal des mächtigen Hauses und winkte seine Gäste in eine riesige holzgetäfelte Halle. »Der Film wird Ihnen einen Überblick darüber vermitteln, was wir hier machen.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte Hatch, während er Jessie in einen kleinen Vortragsraum folgte, »aber ich hätte ei-gentlich erwartet, daß so umweltbewußte Leute wie Sie auch Energiesparer sind. Und dazu paßt der alte Kasten überhaupt nicht. Es muß ein Vermögen kosten, diese Steinburg zu heizen.«
Sherry schüttelte ernst den Kopf und bot ihm eine Plastiktasse mit Kaffee an. »Ich fürchte, Sie verstehen immer noch nicht, worum es DEL eigentlich geht. Aber das wird sich gleich ändern.«
Jessie musterte die Tassen, die Sherry auf ihrem Tablett stehen hatte. »Ich muß gestehen, ich hätte wirklich nicht gedacht, daß Sie hier Plastiktassen verwenden.«
Landis nickte, und sein hübsches Gesicht wurde ernst. »Ich kann mir denken, daß Sie das verwirrt. Setzen Sie sich, und schauen Sie sich das Video an. Danach wird Ihnen vieles klarer sein, und Sie werden begreifen, was wir hier tun.«
Jessie nahm in einem dick gepolsterten Stuhl neben Hatch Platz. Sie blickte sich um, während der Raum langsam dunkel wurde.
»Weißt du, an was mich das hier erinnert?« fragte Hatch leise im Schutz der lauten Vorspannmusik.
»An was?«
»An die exklusiven Präsentationen, mit denen clevere Immobilienmakler ihre potentiellen Kunden ködern.«
Jessie verzog das Gesicht. »Pssst. Man wird dich hören.«
Hatch zuckte nur die Schultern und lehnte sich zurück, da der Film anfing. Eine tiefe, besorgt klingende Männerstimme ertönte:
»Nicht nur Wissenschaftler sind sich heute darüber im klaren, daß unsere Umwelt kurz vor einer tödlichen Katastrophe steht. Einer Katastrophe, die nicht weniger bedrohlich ist als der nukleare Winter, der die Folge eines dritten Weltkriegs wäre. Tagtäglich werden Unmengen radioaktiven Mülls in unseren Meeren verklappt. Saurer Regen zerstört unsere landwirtschaftlichen Nutzflächen. Die Rodung des Regenwaldes bedroht unser aller Atemluft.
Daß unser Planet aus all diesen Gründen dem Untergang geweiht ist, steht längst nicht mehr zur Debatte. Das einzige, worüber sich noch debattieren läßt, sind der Zeitpunkt, an dem sich das Schicksal der Erde erfüllen wird, und die Möglichkeiten, wie wir uns selbst schützen können.«
»Ganz schön aufwendige Grafiken«, bemerkte Hatch leise, als die Musik wieder anschwoll. »Da hat jemand keine Kosten gescheut und eine erstklassige Werbeagentur bemüht.«
Wieder meldete sich der Sprecher zu Wort, doch diesmal klang seine Stimme beruhigend und zuversichtlich:
»Ein Mann, ein Experte auf dem Gebiet der Computerprogrammierung, Klimakunde und Ökologie, hat sich mit diesen Problemen gründlicher auseinandergesetzt als die meisten anderen Menschen. Sein Name ist Dr. Edwin Bright. Er ist der Gründer von Dawn's Early Light. Lernen Sie den Mann kennen, der es Ihnen und mir ermöglichen kann, die Katastrophe zu überleben, die sich uns unaufhaltsam nähert.«
Auf der Leinwand erschien ein Bild der Bucht mit dem DEL-Herrenhaus im Hintergrund. Die Kamera fuhr näher an einen Mann heran, der in gutgeschnittenen blauen Hosen und einem blitzsauberen, frischweißen Hemd auf dem Landungssteg stand. Er blickte nicht in die Kamera, sondern daran vorbei auf den Horizont, als sähe er von dort etwas außerordentlich Wichtiges auf sich zukommen.
Jessie beugte sich vor, um ihn genauer zu betrachten. Dr. Edwin Bright schien Ende Vierzig zu sein, und es bestand kein Zweifel, daß er ungewöhnlich fotogen war. Er machte sich sehr, sehr gut auf der Leinwand.
Sie sah einen eindrucksvollen Mann mit markanten Gesichtszügen vor sich, der das braune
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