Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
vorbei ins Haus.
Shay beobachtete, wie Aislinn verschwand. Regungslos wie ein Fels in der Brandung stand er da und wartete leicht belustigt auf die Moralpredigt, die er gleich zu hören bekommen würde. Jeder in Prominence wusste , daß Eugenie argwöhnisch über ihre Mädels wachte, und nach allem, was er in letzter Zeit im Speisesaal beobachtet hatte, vermutete er, daß Aislinn Eugenies Liebling war.
»Wo ist denn dein Schießprügel?« fragte er, als Eugenie ihrem Schützling nicht ins Haus folgte, sondern zu ihm an die Brüstung trat.
Die ältere Frau wirkte ungefähr so liebenswürdig wie eine Bärenmutter, die ihre Jungen verteidigt, aber Shay konnte Eugenie gut leiden, auch wenn sie manchmal rauh und ruppig war. Gewöhnlich gingen sie herzlich miteinander um, und man konnte sie durchaus als Freunde bezeichnen. »Bilde dir bloß nicht ein, daß ich dich nicht erschießen würde, nur weil du den Stern trägst«, knurrte sie.
»Ich erwarte bestimmt keine Sonderbehandlung«, meinte er mit seinem berühmten schrägen Grinsen.
»Gut«, erwiderte Eugenie streng, ohne auf seinen ironis c hen Ton einzugehen, »denn die bekommst du von mir auch garantiert nicht. Wenn du es ehrlich mit dem Mädchen meinst, dann halte dich gefälligst an die Regeln - die kennst du ja. Meine Mädels dürfen nur in der Zeit zwischen dem Nachtessen und acht Uhr abends Besucher empfangen oder am Sonntag nachmittag.« Sie schwieg und betrachtete sein Gesicht. Selbst im Halbdunkel sah Shay, daß ihre Augen leuchteten. »Aislinn ist zehnmal mehr wert als die anderen, aber sie ist ein unschuldiges junges Ding, das Schweres durchgemacht hat. Ihr Weg durchs Leben war hart, und sie muss te ihn allein gehen. Sie stellt zwar hohe moralische Ansprüche an sich selbst, aber ich fürchte, daß sie jedes Wort glauben wird, wenn sie erst einmal Vertrauen zu einem Menschen - zu einem Mann - gefaßt hat. Also, entweder benimmst du dich so, daß du ihr Vertrauen nicht enttä u sch st, oder du ziehst besser Leine, denn falls du nur die Absicht hast, dich auf ihre Kosten ein bisschen zu amüsieren, dann rate ich dir, dich anderswo auszutoben.«
Shay betrachtete seine alte Freundin mit Respekt, ja sogar mit Anerkennung - was er jedoch wohlweislich verbarg. »Ich kann dir nicht genau sagen, was ich für Aislinn empfinde«, gab er zu, »denn ich verstehe meine Gefühle selbst nicht. Aber etwas ist hier drin passiert«, er klopfte mit der Hand gegen seine Brust und deutete auf sein Herz, »und ich kann dir nur sagen, daß ich die Sache nicht auf die leichte Schulter nehme. Ich habe nicht geglaubt, daß ich mich überhaupt noch einmal für einen Menschen interessieren würde, nachdem Grace getötet worden ist, aber plötzlich...«
Eugenie verzog ganz leicht die Lippen und lächelte, was sie höchst selten tat. Das Lächeln verschwand auch sofort wieder aus ihrem Gesicht, und sie machte die übliche griesgrämige Miene. »Ich dachte mir schon, daß du dich eines Tages wieder aufrappeln und dein Leben neu in die Hand nehmen würdest - und wie ich sehe, hatte ich recht damit. Aber vergiß meine Warnung nicht. Wenn du nur mal eben schnell mit einer Frau ins Heu springen willst, um deinen Spaß zu haben, hältst du dich besser weiter an deine Witwe. Aislinn hat nämlich andere Pläne für ihr Leben. Sie hat außerhalb der Stadt eine kleine verlassene Farm entdeckt, die sie kaufen möchte, um dort ihre beiden kleinen Brüder großzuziehen, die jetzt noch im Osten sind. Deshalb braucht sie einen guten, starken Mann an ihrer Seite, der fest zu ihr hält und ihr dabei hilft, die Farm wieder aufzubauen.«
Shay hatte weder gewusst , daß Aislinn jüngere Geschwister hatte, noch, daß sie sich auf einer Farm niederlassen wollte, aber er sah keinen Sinn darin, das Thema jetzt zu vertiefen. Er würde sich um die Angelegenheit kümmern, sobald sie ihn direkt betraf. Die Zuneigung zu Aislinn hatte ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen, und damit muss te er zuerst einmal fertig werden. Und dann war da ja auch noch Tristan. »Denkst du nicht, daß ich ein guter Mann für Aislinn sein könnte?« fragte er. Er wollte keineswegs Komplimente hören. Nicht von Eugenie - er wollte wirklich eine ehrliche Antwort.
»Du bist schon ganz in Ordnung«, erwiderte sie und boxte ihm dabei so fest gegen den Oberarm, daß er wahrscheinlich einen blauen Fleck bekommen würde. »Aber ich muss schon sagen, daß ich eine Weile wirklich geglaubt habe, du würdest von dem irischen
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