Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
die Knie geschlungen, wie Aislinn im fahlen Schein des Mondes erkennen konnte.
»Sie weiß es«, flüsterte Liza Sue.
»Ja«, erwiderte Aislinn ebenso leise. »Aber es ist alles in Ordnung, du darfst bleiben.«
»Ist das wirklich wahr?«
»Ja, Eugenie wird auf dich aufpassen und dich beschützen. Aber jetzt muss t du schlafen.« Aislinn k u sch elte sich ins Bett und war gerade eingeschlummert, als Liza Sue ganz leise noch etwas sagte.
»Hörst du den Lärm aus dem Saloon? Vorhin sind dort sogar Schüsse gefallen!«
Aislinn war die ganze Zeit so mit sich und ihren Problemen beschäftigt gewesen, daß sie nicht weiter auf die Gerä u sch e von draußen und vom Saloon geachtet hatte. Jetzt la u sch te sie in die Dunkelheit, und ihr wurde bewusst , daß der Lärm anders klang als gewöhnlich. Die Stimmen waren lauter und aufgeregter, und ihr fiel siedendheiß ein, daß es nur einen Vertreter des Gesetzes in der Stadt gab. Was immer im >Yellow Garter Saloon< vor sich ging, Marshall Shay McQuillan würde bestimmt vor Ort sein und im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Gestern wäre ihr das noch ziemlich egal gewesen, aber nachdem er sie heute abend geküßt hatte, war alles anders. Sie setzte sich aufrecht hin und zuckte zusammen, als sie ein peitschendes Gerä u sch hörte.
»War das ein Schuß?«
»Ich bin nicht sicher«, flüsterte Liza Sue. »Möglich, daß Billy jemanden erschossen hat. Vielleicht diesen gutaussehenden Marshall , weil der ihn heute mittag auf der Straße in den Augen der ganzen Stadt lächerlich gemacht hat.«
N un war Aislinn nicht mehr zu halten. Sie warf ihre Decke weg und sprang aus dem Bett. »Wo ist das Kleid, das du getragen hast?«
Liza Sue antwortete erst, als sie beide im Flur vor dem Schlafraum standen. »Ich habe es hinter dem großen Schrank in der Wäschekammer versteckt«, wisperte sie. »Warum?«
Aislinn h u sch te zur Tür der Kammer. »Kümmere dich gar nicht tun mich. Geh wieder ins Bett und schlaf.«
Aber so leicht ließ sich die ehemalige Prostituierte nicht abschütteln. »Ich will wissen, was du vorhast. Schließlich ist es mein Kleid.«
Aislinn gab keine Antwort, sondern suchte in der kleinen vollgestopften Wäschekammer nach dem Kleid und zog es wenig später vollkommen zerknittert hinter dem Schrank hervor. Es war ihr zu eng, roch nach Schweiß, billigem Parfüm, Tabak und schalem Whiskey. Sie unterdrückte ein Ekelgefühl und zwängte sich in das Kleidungsstück.
»Du willst doch nicht wirklich so ... Du kannst nicht in den >Yellow Garter Saloon< gehen! Schon gar nicht in diesem Kleid! Darin fällst du mehr auf als ein bunter Hund!« Liza Sue schwieg einen Moment, um ihre erregte Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. »Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Man wird dich erschießen, ins Gefängnis werfen oder zumindest so verprügeln, daß du es dein Leben lang nicht mehr vergessen wirst!«
Aislinn war sich vollkommen darüber im klaren, daß ihr Vorhaben an Wahnsinn grenzte, und sie wusste auch genau, daß sie damit das Versprechen brechen würde, das sie Eugenie gegeben hatte. Wenn sie jetzt ging, würde sie erneut die Regeln mißachten - und das bedeutete, daß sie ihre sichere Stelle verlieren würde und ihre Sachen packen muss te. Das alles sagte ihr der Verstand, aber ihr Herz sprach eine andere Sprache. Sie hatte Angst, daß Shay in Schwierigkeiten war. Wie jeder in der Stadt wusste auch sie von der Auseinandersetzung, zu der es am Nachmittag zwischen Shay und Billy Kyle vor dem Haus des Totengräbers gekommen war. Wahrscheinlich hatte sich der Sohn des Ranchers seither im Saloon Mut angetrunken, um sich an Shay für die erlittene Demütigung zu rächen. Sollte sie sich da etwa die ganze Nacht unruhig im Bett wälzen und sich fragen, ob der Marshall noch lebte oder ob ihn ein gemeiner Trunkenbold wie einen räudigen Hund erschossen hatte?
Sicher, das Kleid war ziemlich freizügig, aber schließlich war sie auf dem Weg in eine Bar und nicht in die Kirche. Und da die Frauen im >Yellow Garter Saloon< alle ähnlich gekleidet waren, würde sie wahrscheinlich weniger auffallen, als wenn sie eines ihrer schlichten Baumwollkleider getragen hätte.
Sie verließ die Wäschekammer, ging zur Treppe und stieg schnell, aber leise im Dunkeln die Stufen hinunter. Liza Sue folgte ihr nicht.
Auf dem zweiten Treppenabsatz stieß Aislinn gegen ein unerwartetes Hindernis - Eugenie. Die ältere Frau, die hier offensichtlich Wache hielt, riß ein
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