Leidenschaft in den Highlands
Anola heran und versuchte, ihrem Flüstern zu lauschen, doch er verstand sie kaum. Seit Avery verschwunden war, betete sie jeden Tag und jedeNacht und bat um ihre Rückkehr. Amus hatte vergeblich versucht, ihr zu erklären, dass ihre Schwester im Kampf um Lincairn gefallen war. Sie war als Heldin gestorben. Schließlich hatte sie sich gleich mit drei MacCallen-Bastarden angelegt.
Doch Anola wollte ihm nicht glauben, weil man ihre Leiche nicht gefunden hatte. Dieser Umstand war beunruhigend, aber Avery musste tot sein. Schließlich fehlte jegliches Lebenszeichen von ihr.
Zumindest der Rat und der Rest der Familie hatten seinem Bericht von dem Gefecht und ihrer Niederlage Glauben geschenkt. So hatte man ihn kurzerhand zum Chief ernannt, der alten Tradition folgend, für die er sich schon immer eingesetzt hatte.
Anolas blonde Locken schimmerten unter ihrer Haube hervor und glänzten in der Farbe der Sonne. Es genügte, sie von hinten zu sehen. Allein der Anblick ihrer schmalen Schultern und der schlanken Taille erregten ein Verlangen in ihm, das keine andere Frau je entfacht hatte. Und er hatte mit genügend Mägden geschlafen, um Vergleiche zu ziehen.
Eine beinahe unerträgliche Hitze breitete sich in seinen Lenden aus. Wäre sie nicht die Tochter MacBaines, er hätte sie ohne weiteres genommen, wenn es sein musste, auch gegen ihren Willen.
»Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte er stattdessen in seinem freundlichsten Ton und nahm neben ihr Platz, ohne ihre Antwort abzuwarten. Anola warf ihm einen kurzen, abschätzenden Blick zu. Das war er nun schon gewohnt.
Sie machte kein Geheimnis daraus, dass sie ihn nicht leiden mochte, seit er Averys Posten übernommen hatte. Das störte ihn nicht sonderlich. Er wollte sie schließlich nicht der angenehmen Konversation wegen zur Frau nehmen.
»Du suchst in den letzten Tagen oft meine Nähe«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. »Warum?«
»Ich mache mir Sorgen um dich«, sagte er, bemüht, seine Stimme warm und aufrichtig klingen zu lassen.
»So?« Sie wandte ihm den Kopf zu und zog einen ihrer Mundwinkel hoch.
Sie schien etwas freundlicher als sonst, und so tastete er vorsichtig nach ihrer Hand, die sie im Gras abgestützt hatte. Sanft streichelte er sie, um alle Zweifel auszuräumen, die sie ihm gegenüber haben mochte.
»Aye«, sagte er und versuchte, ihren Blick auf sich zu ziehen. »Du grämst dich immer noch so sehr. Ich wünschte, ich könnte dich irgendwie aufheitern.«
Ihre Hand regte sich unter seiner, als wollte sie ihm diese entziehen. Dann aber hielt sie wieder still und atmete tief durch, den Blick erneut zu den finsteren Wolken gewandt. »Was soll mich schon aufheitern? So wie der Himmel aussieht, sieht es auch in mir aus. Athair ist tot. Avery ist verschwunden. Ich spüre eine Leere tief in meinem Inneren, die mir Angst macht. Jetzt habe ich nur noch Màthair und Ann. Wenn auch sie eines Tages von mir gehen, bin ich ganz allein.«
Sie kniff die Augen, in denen Tränen standen, zusammen und senkte das Kinn auf die Brust. Das war seine Chance, ihr Vertrauen für sich zu gewinnen.
»Du bist nicht allein, Anola.« Er legte eine Hand unter ihr Kinn und hob es an, so dass sie gezwungen war, ihm ins Gesicht zu blicken. »Ich bin für dich da«, sagte er, in der Hoffnung, sie damit für sich zu gewinnen.
»Das ist sehr freundlich«, entgegnete sie für seinen Geschmack etwas zu kühl und drehte den Kopf zur anderen Seite.
»Es klingt nicht so, als würdest du mein Mitgefühl zu schätzen wissen.« Allmählich wurde er ungeduldig. Aber er musste nach außen hin Gelassenheit bewahren. Vielleicht war es doch gut, dass Anola so in ihre Gedanken vertieft war. Sie bemerkte kaum, wie aufgewühlt er war.
Himmelherrgott, wie er diese Frau wollte!
Und das schon seit einer erheblichen Zeit. Genauer gesagt seit der prächtigen Vermählung von Ann MacBaine und Chieftain Brians Sohn Malcolm. Man hatte gelacht, musiziert und getanzt, gut gegessen, viel getrunken bis spät in die Nacht hinein. Nur Anola hatte die fröhliche Gesellschaft bald verlassen. Man hatte sich gefragt, was mit ihr los sei, darüber diskutiert, warum sie sich zurückzog, doch niemand hatte die Antwort gekannt. Niemand bis auf ihn.
Anola hatte Malcolm begehrt. Er hatte es in ihren sehnsuchtsvollen Blicken gesehen, die sie ihm am Altar zugeworfen hatte.
Wie herrlich zerbrechlich sie auf den Zinnen gestanden und zum Vollmond aufgeblickt hatte! Amus hatte sie schon den ganzen Abend beobachtet und war
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