Leidenschaft in Rot
Fotos nehme ich mit.« Als ich sie vom Tisch nahm, sprang sie vom Sessel auf, kam zu mir gerannt und packte den Umschlag. Ich ließ ihn mir nicht aus der Hand reißen. »Entweder Sie vertrauen mir ganz, oder ich springe sofort ab, Lee. Ich brauche die Fotos zur Information und als Brechstange«, sagte ich.
Mit eindringlichem Blick schaute sie mich lange und forschend an und ließ los. »Ich hätte nie gedacht, daß ich die irgend jemanden sehen lassen würde. Trav, Sie werden doch äußerst vorsichtig damit umgehen?«
»Ja.«
»Ich kann morgen Dana mit den Spesen schicken. Geht das in Ordnung?«
»Gut.«
»Bitte seien Sie vorsichtig mit den Bildern. Wenn sie veröffentlicht werden, ist meine Karriere sofort gestorben. Und ... Sie wissen verdammt gut, das ist das einzige, was ich noch habe.«
Auf ihrem unteren Lid schwankten Tränen, und eine löste sich und rollte ihr über die Wange. Es sah nicht echt aus. Ein Maskenbildner war aufs Set gestürzt und hatte sie mit einer Pipette aufgetropft. Reines Glyzerin. Vielleicht waren sie wirklich nicht echt. Sie hatte sicher gelernt, fast auf Befehl zu weinen, und so zu weinen, daß sie danach so wunderschön aussah wie zuvor.
»Seien Sie vorsichtig, Lee. Der Ton dieser Nachricht gefällt mir nicht. Es gibt sexuell gestörte Menschen, die das Schwert Gottes spielen und die Sünder ausrotten wollen. Sehen Sie zu, daß Sie in dieser Woche in Miami gut beschützt werden.«
Sie brachte mich zur Tür. Sie packte mich am Arm und gab mir einen schnellen Kuß, sanft und vertrauensvoll wie der eines Kindes. Dann begleitete sie mich durch den Flur, fand Dana Holtzer, die in einem kleinen Raum an der Schreibmaschine saß, und überließ mich deren Obhut. Dana stand auf und brachte mich über die Treppe nach draußen zu der wartenden Limousine. Ich sah den flüchtigen und besorgten Blick, den sie auf den Umschlag warf, den ich bei mir hatte, und verspürte einen Hauch äußerster Mißbilligung.
Der Fahrer hieß Martin. Sie befahl ihm, mich zurückzubringen oder wo immer ich sonst hinwollte. Es war nach fünf. Ich ließ ihn an einer Stelle halten, wo ich telefonieren konnte. Ich rief Gabe Marchman in Lauderdale an und sagte ihm, ich hätte ein Problem. Er sagte, es würde ihm passen, wenn ich gleich damit vorbeikäme.
Auf eine jener Eingebungen hin, die einem das Leben retten können, obwohl es sich, so oder so, nie beweisen läßt, ließ ich mich von Martin in der Innenstadt absetzen. Ich ging durch einen Eingang in einen großen Drugstore und am anderen Ende wieder hinaus und bestieg ein Taxi.
Gabe Marchman war ein großer Kriegsfotograf. Sie kennen seinen Namen von den klassischen Artikeln aus Korea. Eine Tretmine hatte ihm die Beine zermantscht. Während seiner Genesung auf Hawaii hatte er ein sehr reiches und sehr schönes Mädchen chinesisch-hawaiianischer Abstammung namens Doris kennengelernt und geheiratet. Gabe sieht aus wie ein abgesägter Abraham Lincoln. Er geht immer noch auf Krücken. Sie haben sechs Kinder. Nachdem er seine Bewegungsfreiheit eingebüßt hat, befaßt er sich jetzt mit einem anderen Aspekt der Fotografie. Er besitzt eines der am besten ausgerüsteten Privatlabors im Süden. Es ist in einem Flügel untergebracht, der fast so groß ist wie das Haupthaus. Dort erledigt er experimentelle Arbeiten und problematische Aufträge gegen dicke Honorare. Er ist ein mürrischer kleiner Mann, den alle vergöttern, die ihn kennengelernt haben.
Doris, die wieder schwanger war, schickte mich zum Labor. Gabe begrüßte mich knurrend. Ich sagte ihm, ich wolle soviel wie möglich über ein paar Fotos wissen. Wir waren in seiner Dunkelkammer. Er schaltete ein helleres Licht ein, ließ sich auf einen Hocker nieder und breitete das Dutzend Aufnahmen in einer Reihe auf dem Arbeitstisch aus.
Gemessen an seiner ausbleibenden Reaktion, hätten es Bilder von jungen Hunden oder Blumengärten sein können. »Was weißt du darüber?« sagte er. »Rein technisch.«
»Sie wurden vor eineinhalb Jahren in Kalifornien auf 35mm-Film aufgenommen. Die Person, um die es geht, glaubt, daß die einzige Stelle, von der aus sie geschossen worden sein können, knapp hundert Meter entfernt war, aber das ist nur eine Schätzung. Vor einem Jahr hat die besagte Person einen anderen Satz Abzüge gesehen, auf denen das gleiche zu sehen gewesen sei, aber diese hier sind offenbar verschwommener und grauer.«
Er brummte und holte eine große Lupe, mit der er die Fotos eines nach dem anderen sehr
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