Leidenschaft in Rot
Flur in ein kleines Wohnzimmer. Es stand voll mit Möbeln, die für die kleine Wohnung viel zu groß und viel zu teuer waren. Alle Flächen waren bedeckt mit großen Fotoabzügen, und Kontaktabzüge lagen auf dem Boden und lehnten an den Möbeln und Wänden. Viele waren mattiert. Mit ungeschickter Hast machte sie zwei Stühle frei. »Setzen Sie sich doch. Ich bin grade am Aussortieren. Lens Lab ... das ist ein Hobbyverein hier ... und die wollen eine Ausstellung mit seinen besten Werken machen. In der Bücherei. Es sind so viele. Ich komm ganz durcheinander.«
»Das kann ich mir vorstellen. Es sieht richtig nach Arbeit aus.«
»Und ob! Ich bin jetzt dafür verantwortlich, daß alle erfahren, wie gut Vater war. Ich will auch noch eine Wanderausstellung zusammenstellen. Und in Rochester gibt es natürlich auch Interesse.«
»Natürlich.«
Sie setzte sich mir gegenüber und verknotete die Hände. »Ich hab ja so gehofft, daß irgend jemand mal kommt. Es war alles so schrecklich schwierig für mich.«
»Das kann ich nachvollziehen.«
»Der arme Mr. Mendez hat sein Bestes getan, um alles mit der Steuer zu klären. Aber dann ist da noch eine große Summe Bargeld aufgetaucht, und das hat die Sache irgendwie kompliziert. Und ich konnte ihm das mit dem Bargeld natürlich nicht erklären. Falls es für notwendige Ausgaben bestimmt war, tut’s mir leid. Und jetzt hängen da die Gerichte und die Steuer und alles drin. Irgendwann werd ich’s kriegen, nehm ich an, oder das, was sie davon übriglassen. Wenigstens darf das Haus verkauft werden. Wissen Sie, ich hab gehofft, daß sich jemand melden würde. Und Sie sehen fast genauso aus wie die Art Mann, die ich mir vorgestellt hab.«
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich hab den Mund gehalten, wie es Vater gewollt hätte. Und ich glaube, ich brauche auch wirklich keine nachträglichen Ehrungen für ihn. Er hat gesagt, das wäre etwas, was man nicht erwarten dürfte. Er hat mir beigebracht, mit den ... Kontakten ganz vorsichtig und diskret zu sein und ihm keine Fragen zu stellen. Ich hab mich schon gefragt, ob ich nicht zu Mr. Mendez gehen und ihm erklären soll, was für eine Arbeit Vater für Sie gemacht hat. Ich glaube, dann wäre das mit dem Geld einfacher.«
»Es tut mir leid, dazu bin ich nicht befugt.«
»Das hab ich befürchtet«, sagte sie. »Och Mann. Und die blöde Polizei muß natürlich denken, daß nur irgendwer hinter seinem Kleingeld her war.«
»Ich fürchte, ja.«
Sie musterte mich. »Echt mal, woher soll ich wissen, daß Sie der sind, für den ich Sie halte?«
»Wir haben leider keine Ausweise oder ähnliches.«
»Dacht ich mir. Wäre wohl nicht sehr sicher, schätze ich.« Es schien ihr nicht ganz wohl bei der Sache zu sein. »Aber wieso haben Sie nicht gewußt, daß er tot ist?«
»Ich hatte keinen Kontakt mehr mit ihm.«
Jetzt war mir so manches klar. Es ging etwas Ungesundes von ihr aus, ein schmieriger Glanz auf ihrer Haut, ein Geruch nach Schmutz von der düsteren, kleinen Wohnung. Aber sie war seine geliebte Tochter. Erpressung brauchte eine Coverstory. Vielleicht hatte sie anfangs vermutet, daß Vater irgendeine geheime Arbeit fürs Vaterland erledigte, und als sie ihn darauf ansprach, war es am einfachsten gewesen, dabei zu bleiben. Und natürlich hatte Der Feind ihn abgeschlachtet.
Ich mußte den richtigen Weg finden, damit sie sich mir öffnete. Ich beugte mich zu ihr. »Jocelyn, ich glaube, ich kann Ihnen versprechen, daß eines Tages alles öffentlich gemacht werden darf.«
Auf ihren blassen Pausbacken glitzerten Tränenbäche wie Schneckenspuren, und sie gab ein quakendes, schluchzendes Geräusch von sich ...
Zehn
Es gefiel mir, wie Dana zuhörte. Sie fühlte sich nicht gedrängt, ein Schweigen mit Fragen auszufüllen. Sie wußte, es würde noch mehr kommen. Ich konnte sie nicht ganz deutlich sehen. Sie saß mir gegenüber im Finstern an den Motelfenstern. Das Licht fiel auf meinen Ellbogen und glänzte auf dem Silberbecher.
»Ives liebte das gute Leben«, sagte ich. »Er war freier Fotograf in Melbourne. Mode, aktuelle Stories, alles. Eine Hollywoodtruppe machte einen Film drüben. Er bekam die Erlaubnis, auf dem Set zu arbeiten. Seine Standaufnahmen waren offenbar verdammt gut. Die Stars mochten ihn. Das Studio holte ihn nach Hollywood. Das war vor acht Jahren. Sie war zwölf. Er arbeitete etwa vier Jahre dort und machte seine Sache ziemlich gut. Und er lebte gut. Dann ging etwas schief. Ich nehme an, er ist auf die schwarze
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