Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Trainingsbetrieb des Turbofood-Rennstalls so wenig wie irgend möglich behindern werden. Sonst nichts, wirklich. Das müssen Sie mir glauben«, sagte er in flehendem Ton.
»Vielleicht sollten wir gar nicht erst in Richtung Mord ermitteln, womöglich handelt es sich ja nur um einen Unfall«, sagte Tannenberg.
Dr. Hollerbachs Gesicht leuchtete förmlich auf. »Von dieser Möglichkeit weiß ich ja noch gar nichts.«
Damit war er Tannenberg in die Falle gegangen, die er nun genüsslich zuschnappen ließ. »Der Mechaniker könnte so unglücklich ausgerutscht und in die Kette hineingefallen sein, dass diese sich ohne Fremdeinwirkung um seinen Hals gelegt und zugezogen hat«, fuhr er grinsend fort.
Schlagartig wurde dem Oberstaatsanwalt bewusst, dass sich der Leiter des K 1 nur über ihn lustig gemacht hatte. Abermals versuchte er krampfhaft, seinen Zorn unter Verschluss zu halten, doch das nervöse Zucken seiner Augenlider verriet seine wahren Emotionen.
»Ich lasse mich von Ihnen nicht provozieren. Diesmal nicht«, verkündete er mit zitternder Stimme. »Dafür steht für uns alle hier viel zu viel auf dem Spiel. Was meinen Sie wohl, wie die Presse gerade über uns beide herfallen wird, wenn sie Wind von unseren persönlichen Animositäten bekommt.«
»Ach, Gott, das wissen die doch schon lange«, meinte Tannenberg mit einer wegwerfenden Handbewegung.
Dr. Hollerbach räusperte sich und faltete die Hände wie zum Gebet. »Herr Hauptkommissar, ich bitte Sie eindringlich, konstruktiv mit mir zusammenzuarbeiten. Wenigstens dieses eine Mal.«
»Mache ich doch glatt. Aber dann sollten Sie mir jetzt eine wichtige Frage ehrlich beantworten.«
»Welche?«
»Was haben Sie Ihrem Professor noch so alles zugesagt?«
Wie bei einer Marionette pendelte der Kopf des Oberstaatsanwaltes hin und her. Mit einer beschwörenden Geste antwortete er: »Nur noch ein paar Kleinigkeiten, wirklich. Sie hängen inhaltlich eng mit dem zusammen, was ich bereits erwähnt habe.«
»Raus mit der Sprache!«
Dr. Hollerbach schöpfte tief Luft. In seinen ausströmenden Atem hinein ließ er endlich die Katze aus dem Sack: »Alle Fahrer werden vorläufig als nicht tatverdächtig eingestuft und können deshalb das Vorbereitungstraining für die Tour de France uneingeschränkt fortsetzen.«
»Hört, hört, ein staatsanwaltschaftlicher Persilschein für die Herren«, spottete der Kriminalbeamte. »Damit die Herren Spitzensportler so wenig wie möglich von diesem unangenehmen Mord tangiert werden.«
Mit anschwellender Stimme konkretisierte der Oberstaatsanwalt die Absprachen: »Selbstverständlich nachdem Sie Ihre Befragungen durchgeführt haben und selbstverständlich nach der erkennungsdienstlichen Behandlung der Teammitglieder.«
»Na, wenigstens das dürfen wir. Meinen aufrichtigen Dank.«
»Alle diese notwendigen Maßnahmen erfolgen jedoch im Hotel Antonihof. Ihr Kollege Mertel kann den Radsportlern die Fingerabdrücke genauso gut auch hier an Ort und Stelle abnehmen, nicht wahr?«
»Sigbert, kommst du bitte?«, ertönte plötzlich Professor Grablers tiefe Männerstimme vom Hoteleingang her. Die bereits stark ergraute Jura-Eminenz stand im Eingangsbereich des Hotels und winkte herüber.
»Auf, auf, das Herrchen ruft nach seinem Hündchen«, feuerte Tannenberg den ranghöchsten Vertreter der Kaiserslauterer Staatsanwaltschaft an.
Dr. Hollerbach warf Tannenberg einen grimmigem Blick zu, dann machte er auf dem Absatz kehrt und zog wutschnaubend von dannen.
Auch der Leiter des K 1 setzte sich in Bewegung. Strammen Schrittes überholte er seinen Widersacher, pflanzte sich unmittelbar vor dem einen Kopf kleineren Staranwalt auf und streckte ihm die Hand entgegen.
»Gestatten, Herr Professor, dass ich mich vorstelle: Wolfram Tannenberg, Hauptkommissar und provinzieller Schmalspur-Kriminalist – jedenfalls nach Meinung Ihres ehemaligen Doktoranden Sigbert Hollerbach.«
Während der Oberstaatsanwalt aus Scham am liebsten im Erdboden versunken wäre, griff Professor Grabler lachend die kräftige Männerpranke und drückte sie fest.
»Freut mich sehr, Sie endlich kennenzulernen, mein lieber Herr Tannenberg. Sie werden es nicht für möglich halten, aber ich habe schon viel von Ihnen und Ihren spektakulären Fällen gehört. Von wegen Provinz! Von solchen interessanten Mordfällen können wir in Frankfurt nur träumen.«
Ohne Dr. Hollerbach auch nur eines Blickes zu würdigen, legte er den Arm auf Tannenbergs Schulter und zog ihn
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