Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
rückte mit einer abrupten Bewegung seine Fliege zurecht.
Die Bedienung servierte die heiß ersehnten Hefeweizen. Tannenberg bestellte zweimal Wiener Schnitzel mit Pommes und Salat. Danach prosteten sich die beiden Freunde zu und nahmen einen tiefen Schluck. Als sie den Bierschaum auf den Lippen des anderen entdeckten, lachten sie herzhaft und stießen abermals die Gläser aneinander.
»Da haben diese Säcke es doch tatsächlich hingekriegt«, grummelte Dr. Schönthaler. Den Rest ließ er unausgesprochen.
»Ja, wirklich, man sollte diese FCK …«
Der Rechtsmediziner klatschte sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Nix FCK – BKA! Beziehungsweise irgendwelche extrem einflussreichen Kreise, die hinter dieser Anordnung stecken.«
»Ach, diese Anweisung ist dir also doch nicht so egal, wie du vorhin am Telefon behauptet hast«, höhnte Tannenberg.
Sein Freund fixierte ihn mit einem stechenden Blick. »Na, dir doch wohl auch nicht. Oder willst du mir etwa erzählen, dass es nicht gewaltig in dir gebrodelt hat, als der Hohl-Hohl-Hollerbach dir diese Botschaft überbrachte.«
»Es hat, Rainer, es hat – und zwar anständig. Aber inzwischen hab ich mich damit einigermaßen abgefunden. Sollen die ihren Scheiß doch allein machen. Übermorgen verlassen die mit Dopingmittel vollgepumpten Pedaltreter und ihre kriminellen Manager die Pfalz. Dann dürfen sich die französischen Kollegen um diese Sauereien kümmern.«
»Und was ist mit den drei Mordopfern, die in meinen Kühlfächern liegen – beziehungsweise lagen? Hast du die etwa völlig vergessen?«
»Nein, natürlich nicht«, antwortete Tannenberg und blickte einige Sekunden lang mit nachdenklicher Miene auf den wulstigen Rand seines Weizenbierglases. Dann stützte er sich auf die Ellenbogen und knetete seine Hände. »Wo wir nun schon mal bei diesem Thema sind: Was hat die Autopsie von Torsten Leppla ergeben?«
»Nichts, was ich nicht bereits am Gelterswoog kundgetan hätte. Damals als Vermutungen, jetzt als Fakten: Der Journalist wurde in seinem Auto gefoltert, dann hat man ihn mit einer Drahtschlinge erdrosselt, ihm die Zunge herausgeschnitten und ihn anschließend in den See gelegt. Ich habe kein Wasser in seinen Lungen entdeckt, was eindeutig darauf hindeutet, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits tot war.«
»Weißt du, ob Mertel irgendwas Neues entdeckt hat?«
»Nicht, dass ich wüsste. Und wenn, dann hätte er es dir bestimmt schon längst mitgeteilt.«
Reflexartig tastete der Kriminalbeamte nach seinem Handy und vergewisserte sich, ob es in Betrieb war. Da das Display nur eine graue Fläche zeigte, schaltete er es ein und wartete einen Moment. Kurz darauf blinkte ein Brief-Symbol. Er rief die SMS ab und las sie unter der Tischplatte, sodass sein Gegenüber sie nicht sehen konnte.
Trink nicht so viel, du alter Kulturmuffel!
Mag dich trotzdem!
Kuss Hanne
»Hast du eine obszöne Nachricht erhalten oder wollte nur mal wieder deine Mama wissen, wo ihr lieber Wolfi steckt?«, frotzelte der Pathologe. »Und ob er schon etwas gegessen hat.« Lachend zog er seine Taschenuhr heraus, klappte den Deckel auf und warf einen Blick auf das Ziffernblatt. »Es ist nämlich bereits nach 18 Uhr.« Er wandte sich um und schmetterte hinüber zu einem Tisch, an dem ein älteres Ehepaar saß: »Und um Punkt 18 Uhr wird in der Beethovenstraße zu Abend gegessen.«
»In der Kahlenbergstraße auch«, gab der Mann trocken zurück.
Tannenberg ließ sich von diesem Klamauk nicht beirren, sondern schrieb Johanna ein paar nette Worte zurück und schickte die SMS ab. Dann blickte er seinen Freund mit ausdrucksloser Miene an und sagte: »Nein, es war nur der Sportergebnisdienst: Der FCK hat 7:4 gegen Bayern gewonnen.«
»Ja, das stimmt«, sagte der Rechtsmediziner und schob in weinerlichem Ton nach: »Aber das war leider im Jahre 1973!«
»Ich weiß, alter Junge. Und wir zwei waren dabei!« Die beiden hoben ihre Gläser und stießen sie klirrend aneinander. »Das nimmt uns niemand mehr.«
»Genau wie unsere letzten deutschen Meisterschaften: 1991 in Köln und 1998 zu Hause gegen Wolfsburg.«
»Glaubst du eigentlich, dass auch im Fußball flächendeckend gedopt wird?«
Dr. Schönthaler lupfte die Schulterblätter. »Weiß nicht.« Er trank einen großen Schluck Weizenbier. »Obwohl, Gerüchte gab’s ja immer mal wieder.« Er schürzte die Lippen. »Aber ein systematisches Doping wie im Radsport oder in der Leichtathletik kann ich mir nicht vorstellen. Die
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