Leise Kommt Der Tod
leid. Ich habe noch geschlafen.«
»Bist du Jason Fowler?«
Jetzt wurde er wachsam. »Ja?« Quinn betrachtete seinen dünnen jungen Körper, das zu lange dunkle Haar und die altmodische Brille. Es war schwer vorstellbar, dass dieser zartgesichtige, kauzige Junge eine Frau brutal geschändet und dann totgeschlagen haben sollte.
»Polizei von Cambridge. Mein Name ist Detective Quinn. Das ist Detective Lindquist. Wir würden uns gerne mit dir unterhalten«, sagte Quinn. »Dürfen wir reinkommen?«
»Okay.« Er sah von Quinn zu Ellie. »Ich vermute ja.«
Sie nahmen alle im Wohnzimmer Platz, wo es nach frischen Zwiebeln und schmutziger Wäsche roch. Auf dem Couchtisch standen ein paar Teller mit Resten von Fish and Chips. Quinn spürte Übelkeit hochsteigen.
»Kennst du jemanden namens Luz Ramirez?«, fragte Ellie.
»Ja?« Es war eine Gegenfrage. Er sah von einem zum anderen.
»Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
»Hm. Vor ein paar Wochen.«
»Wo war das?«
»Dort, wo ich meine Haare schneiden lasse. Sie macht das.«
»Und?«
»Und was?«
»Und?« Quinn wusste, dass es ein »Und« gab.
Er sah auf den Boden, und Quinn fiel auf, dass ihm etwas peinlich zu sein schien. »Und... ich weiß nicht, warum ich Ihnen davon erzählen soll. Warum wollen Sie das wissen?«
Seine Verwirrung wirkte echt auf Quinn, aber man konnte nie wissen. »Sie ist tot«, sagte Ellie geradeheraus. »Jemand hat sie ermordet.«
»Ach du Scheiße!« Der Junge sprang auf, und Quinn folgte ihm in derselben Sekunde, eine Hand am Pistolenhalfter. Er dachte, dass er versuchen würde wegzurennen. Aber stattdessen griff er sich mit einer Hand an den Kopf und setzte sich wieder. »Meinen Sie das ernst? Ach du Scheiße, ach du Scheiße, ach du Scheiße. Nein, wirklich?« Als er zu ihnen hochsah, standen Tränen in seinen Augen. »Also gut, wir hatten vor auszugehen. Vor ein paar Wochen, ungefähr. Aber sie hat mich versetzt. Wir wollten uns bei Momma’s Pizzaplatz auf der Mass. Avenue treffen. Ich habe eine Stunde lang gewartet, aber sie tauchte einfach nicht auf.« Quinn nahm seinen Kalender heraus und ließ sich von Fowler zeigen, in welcher Nacht es passiert war. Er sah zu Ellie. Es war der Abend, nach dem man die Leiche von Luz Ramirez gefunden hatte.
»Bist du davor schon mit ihr ausgegangen?«
»Nein. Das sollte das erste Mal sein. Ich... ich hielt sie für ein niedliches Mädchen, okay? Wir haben uns unterhalten und so, wenn sie mir die Haare geschnitten hat. Und ein paar von meinen Freunden haben mit mir gewettet, ob ich mit ihr ausgehen würde, also habe ich es getan.«
»Sie haben mit dir gewettet, oho«, sagte Ellie mit einer Stimme, die Quinn noch nicht von ihr kannte.
»Ja«, entgegnete der Junge. »Es war dumm. Ich hatte nicht erwartet, dass sie ja sagen würde. Aber sie hat es getan.«
Quinn wollte ihn gerade fragen, für welche Uhrzeit sie sich verabredet hatten, als Ellie wieder einsprang. »Worum habt ihr noch gewettet?« Quinn warf ihr einen Blick zu, um zu erfassen, was da gerade vor sich ging. Ihre Stimme war kalt, und ihr Gesicht schien jemand anderem zu gehören. Er hatte sie in der Rolle des guten und des ahnungslosen Polizisten erlebt, aber den gemeinen Polizisten kannte er noch nicht an ihr. Er hätte nicht gedacht, dass sie dazu überhaupt in der Lage sei.
»Was meinen Sie damit?« Jason Fowler sah zu Quinn. »Was meint sie?«
»Haben sie dich auch herausgefordert, sie zu nageln? Ist es das, was passiert ist? Hattest du Angst, deine Wette zu verlieren?«
»Nein, ich... ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.« Er wirkte verwirrt.
»Wollte sie sich nicht fügen?«, begann Ellie erneut. Quinn war zunächst von ihrer aggressiven Fragemethode beeindruckt gewesen, aber jetzt war er sich nicht mehr sicher, ob sie auf der richtigen Spur war. Sie betrachtete Fowler wie in Trance, ehe sie schließlich sagte: »Was hat sie getan, dass sie das verdient hat? Hat sie sich zur Wehr gesetzt, war es das?«
Quinn hob eine Hand. »Das reicht«, sagte er und sah zu ihr hinüber.
Jason Fowler wandte sich an ihn. »Nein, ich habe sie nicht mal gesehen. Ich dachte, sie würde mich einfach versetzen, das schwöre ich.«
Quinn blickte zu Ellie. Ihre Wangen waren gerötet, und sie saß nach vorne gelehnt auf ihrem Stuhl, als ob sie kurz davor wäre, den Jungen zu strangulieren. Sie wollte wieder etwas sagen, und er hob erneut die Hand. »Detective Lindquist«, warnte er sie. Er wollte sie nicht vor einem Zeugen offen rügen,
Weitere Kostenlose Bücher