Leise Kommt Der Tod
Hör zu, ich würde mich gerne mit dir unterhalten.« Er zögerte. »Außerdem möchte ich mit Ian sprechen. Ich brauche jemanden, der sich mit dem Kunsthandel auskennt, mit dem Verkaufsprozess eines Stücks. Rein hypothetisch betrachtet.«
»Oh.« Sie spürte, wie sie rot wurde. »Natürlich. Ja, vielleicht
könnten wir... Wollen wir heute Abend etwas zusammen trinken gehen? Hast du einen Babysitter?«
»Ja, auf Patience kann ich mich verlassen. Passt dir halb sieben im Flannery’s?« Das war ein Pub auf dem Central Square.
»Gut«, sagte Sweeney. »Ich werde dort sein«, und korrigierte sich dann schnell: »Wir werden dort sein.«
In ihrem Büro setzte sie sich an den Schreibtisch und beobachtete die späten Pendler durch das Fenster. Die Vorstellung, mit Quinn und Ian etwas trinken zu gehen, machte sie plötzlich nervös. Warum nur? Wenn Ian ein Teil ihres Lebens werden sollte, dann sollte sie sich besser daran gewöhnen, ihn auch ihren Freunden vorzustellen. Aber Quinn war genauer betrachtet kein Freund.
Was war er dann? In Concord hatte sie ihn als Freund gesehen. Sie hatten beide dieselben Ziele verfolgt und viel Zeit miteinander verbracht - und das unter ziemlich widrigen Umständen. Was hatte Toby gesagt? Dass er glaubte, sie würde sich von Quinn angezogen fühlen? Womöglich stimmte das. Immerhin war er ein gut aussehender Typ. Sie mochte ihn. Außerdem hielt sie ihn für einen treusorgenden Vater, und er hatte bewiesen, dass er ein guter Polizist war. Wer fände so einen Mann nicht anziehend?
Aber es war mehr als das, gestand sie sich ein. Im letzten Jahr war sie ein paar Mal aus dem Schlaf aufgeschreckt, weil sie von ihm geträumt hatte. Wiederholt hatte sie diesen Traum gehabt, in dem sie sich küssten und sie mit ihren Fingern durch sein kurzes Nackenhaar fuhr. Daran erinnerte sie sich am deutlichsten, an dieses stoppelige Haar zwischen ihren Fingern.
Aber war das nicht ganz normal? Menschen hatten erotische Träume, in denen die seltsamsten Partner vorkamen, oder etwa nicht? Ihre Vorgesetzten, ihre Verwandten. Es bedeutete nichts.
Sie schüttelte den Kopf. Es war ganz normal. Mit ihr war alles in Ordnung.
21
Den Rest des Tages verbrachte sie mit dem Beantworten von E-Mails und dem Aufarbeiten von Kleinkram, der während der Ausstellungsvorbereitungen liegen geblieben war. Als sie fertig war, ging sie ins Internet und startete eine Google-Suche nach Arthur Maloof, um zu sehen, ob etwas Interessantes auftauchen würde. Als Erstes entdeckte sie, dass er im Vorjahr verstorben war. Sein Nachruf in der New York Times lieferte ihr ein paar grundlegende Informationen: Er stammte aus bescheidenen Verhältnissen, hatte die Universität absolviert und dann eine erfolgreiche Karriere als internationaler Bankier gestartet. Außerdem hatte er Antiquitäten aus dem alten Ägypten gesammelt. Gegen Ende seines Lebens ging er in einer neuen Leidenschaft auf: Er wurde zum Philanthropen und stiftete zahlreiche Stücke aus seiner Sammlung den großen amerikanischen Museen. Sweeney stieß auf zahlreiche Verweise, die seine Kollektion ägyptischer Statuen und Reliefs auflisteten. Außerdem gab es eine Reihe von Fotografien, die ihn im Smoking auf diversen schicken Wohltätigkeitsveranstaltungen zeigten. Aber nichts wies darauf hin, dass er unehrlich sein könnte.
Um drei machte sie eine Pause, um ein paar weitere Kataloge zu holen, die sie im Büro des Museums zurückgelassen hatte. Bei den Briefkästen stieß sie auf Fred, der einen Stapel brauner Umschläge durchblätterte. Er trug olivgrüne Bermudashorts und ein T-Shirt und gab sich besonders cool.
»Hallo Fred.«
Er war gerade dabei gewesen, einen der Umschläge zu öffnen, und drehte sich um, als er ihre Stimme hörte. »Hallo Sweeney. Was machst du denn hier oben?«
»Nur das hier holen.« Sie sah die Kataloge auf einem Stuhl vor Tads Büro liegen und deutete auf den Stapel. »Heiß heute, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen. Lacey hat gesagt, ich würde wie ein Penner aussehen in diesen Sachen, aber wenn ich etwas anderes anziehe, sterbe ich vor Hitze. Wie kommst du klar?«
»Es geht schon. Aber sag, findest du es nicht auch komisch, dass es hier so ruhig ist?«
Er nickte. »Willem weiß nichts mit sich anzufangen, und Tad ist nach dem Mittagessen auch heimgegangen.«
»Fred, hast du mir nicht mal erzählt, dass Tad eine Frau zu Hause hat, die sehr krank ist?«
»Seine Mutter. Er kümmert sich um sie. Ich habe immer vermutet, sie sei der
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