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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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bemerkt, dass sie depressiv war?«
    »Gott, das ist so lange her. Ich kann es nicht genau sagen, aber ich vermute, es war irgendwann in jenem Herbst. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, weiß ich nicht, ob depressiv das richtige Wort ist. Zurückgezogen trifft es vielleicht eher.«
    »Verängstigt?«
    »Ja, sie schien in der Tat vor etwas Angst zu haben. Ich fragte mich, ob es mit dem Überfall auf das Museum zu tun
hatte. Sie wissen davon, richtig?« Sweeney nickte. »Das war schlimm genug, um jemandem Angst zu machen. Warum interessieren Sie sich eigentlich für Karen?«
    »Ich arbeite an einem Projekt«, log Sweeney, »das sich mit Frauen und Kunst an der Universität befasst.«
    »Hört sich gut an. Ich würde das sehr gerne lesen, wenn Sie fertig sind. Ich habe damals Soziologie studiert und kann das vielleicht nicht richtig beurteilen, aber meiner Meinung nach war Karen gerade schwer am Durchstarten im Museum. Sie war im Vorsommer ihres Todes bei einer Ausgrabungsexkursion in Ägypten, und sie war eine echte Expertin für Schmuck und solche Dinge. Damit hatte sie sich nämlich drüben in Ägypten befasst.«
    »Wirklich? Das war ihr Spezialgebiet? Davon wusste ich nichts. Hat sie je mit Ihnen über ihre Arbeit gesprochen?«
    »Ein bisschen. Sie erwähnte, dass sie angefangen habe, sich für Frauenschmuck zu interessieren. Sie sagte, jeder würde sofort an König Tut denken, wenn er Ägypten hörte, dabei gäbe es da noch viele andere Personen, deren Leben man erforschen und nachzeichnen sollte. Sie schrieb auch ein paar Gedichte darüber für FOK .«
    »Wirklich? Die würde ich gerne lesen.«
    »Ich werde versuchen, ein paar alte Ausgaben aufzutreiben. Dann müssen Sie aber leider auch meine mittelmäßigen erotischen Geschichten ertragen.« Susan sah sich nach Jeanne um. »Jeanne, du warst damals doch auch sehr engagiert? Ich erinnere mich, dass du eine Zeitlang fast jedes Wochenende vom Smith heruntergekommen bist, richtig? Ich glaube, das war zu der Zeit, als Karen Philips starb.«
    Jeanne beobachtete eine Gruppe junger Frauen, die an der Kundgebung teilgenommen hatten und sich nun mit ein paar gut aussehenden jungen Männern unterhielten. Fast wirkte sie wehmütig, und Sweeney fragte sich, ob sie jene Zeiten vermisste, zu denen die männlichen Studenten den Frauen vermutlich
zugeraunt hatten: »Das soll ich gewesen sein? Daran erinnere ich mich nicht.«
    »Ja, in jenem Herbst und Winter hatten wir viele campusübergreifende Organisationsmeetings zum Thema Gleichberechtigung, deshalb warst du häufig hier.«
    »Das stimmt«, entgegnete Jeanne gedankenverloren, wobei sie kaum zu ihnen herübersah.
    »Also hast du Karen Philips auch gekannt?«, fragte Sweeney.
    »Vermutlich. Aber nicht gut.« Sie winkte jemandem in der Ferne zu. »Ich muss jetzt zu Catherine. Sweeney, schau dich ruhig um und sprich mit den Studentinnen.« Sie warf ihnen einen schnellen Blick zu und eilte davon.
    »Ist mit Jeanne alles in Ordnung?«, fragte Susan, als sie wieder allein waren. »Sie scheint heute etwas nervös zu sein.«
    Sweeney erzählte ihr von den Mordfällen im Museum. Jeanne hatte selbst gesagt, dass sie gerade ein wenig neben sich stehe. Aber trotzdem war ihr bewusst geworden, dass mit Jeanne etwas anderes nicht stimmte. Sie hatte Jeanne Ortiz schon in vielen Stimmungslagen erlebt: wütend, aufgeregt, verstimmt und unangemessen. Aber sie hatte sie noch nie ängstlich gesehen.

29
    Während Quinn an einem der Tische vor einem Café in der Brattle Street auf Sweeney wartete, stellte er fest, dass er schon seit Ewigkeiten nicht mehr so nervös gewesen war. Genauer gesagt, nicht mehr, seit er sich mit vierzehn zum ersten Mal mit einem Mädchen in der Pizzeria in seiner Straße verabredet hatte. Er hatte sich oft ausgemalt, wie es wäre, mit Sweeney an so einem Ort zu sitzen; den heißen Hochsommertag, den Geruch der Luft, den Geschmack des Weißweins. Aber in seiner Vorstellung war der Zweck ihres Treffens nicht gewesen, dass sie ihm erzählte, was ihr Freund über international operierende Kunstdiebe zu sagen hatte.
    Es war albern. Er musste die ganze Sache aus dem Kopf bekommen. Sie war nicht die richtige Frau für ihn. Das wusste er. Er war nicht klug genug, nicht gut genug angezogen, hatte nicht studiert. Vermutlich verdiente er auch zu wenig. Sie konnten Freunde sein, oder was immer es war, was zwischen ihnen existierte, und damit war es gut.
    Trotzdem fühlte er, wie für einen Moment die Zeit stehen blieb, als er sie

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