Leises Gift
der Geschichte in Jackson durchgeführt wurde?«
»Ich dachte, das wäre in Houston gewesen?«
»Die Transplantation von Jackson wurde an einem Affen vorgenommen. Doch die Technologie war die gleiche. Die Schwierigkeiten waren die gleichen. So ähnlich wie beim ersten bemannten Raumflug. Michael DeBakey und Alan Shepard – Affen haben geholfen, diesen beiden den Weg zu ebnen.«
Endlich waren sie oben auf dem Jewish Hill angekommen, doch als sie sich dem vorderen Hang näherten und dem gewaltigen Ausblick, der sich von dort bot, warf Chris einen Blick auf die Uhr.
»Alex, ich sage es nicht gerne, aber ich muss los. Ben ist auf einer Geburtstagsparty, und weil Thora nicht da ist, muss ich ihn abholen.«
Sie lächelte. »Keine Sorge. Wir können zum Wagen zurück joggen.«
Sie setzten sich in Bewegung, doch Alex hatte offensichtlich nicht vor, ihre verbliebene Zeit mit ihm zu vergeuden. »Ich habe mich gefragt, ob man vielleicht einfach ein paar Tumorzellen von einer erkrankten Person nehmen und sie einem gesunden Menschen injizieren kann? Ich habe einmal gesehen, wie so etwas an Mäusen durchgeführt wurde, im Discovery Channel.«
Halbwissen war eine gefährliche Sache, sinnierte Chris. »Das ist nur deswegen möglich, weil die Mäuse, die für diese Tests eingesetzt werden, entweder Nacktmäuse sind, was bedeutet, dass sie praktisch kein Immunsystem besitzen, oder weil sie genetische Kopien voneinander sind, also Klone. Als würde man Zellen aus einem Tumor in meinem Körper in den Körper meines eineiigen Zwillings injizieren. Selbstverständlich würden die Zellen wachsen, zumindest hätten sie eine Chance. Aber wenn ich die gleichen Zellen von meinem Tumor bei Ihnen injiziere, würde Ihr Immunsystem sie ganz schnell finden und eliminieren. Radikal und rücksichtslos.«
»Sind Sie sicher? Auch bei aggressiven Tumoren?«
»Ja. Selbst bei so genannten undifferenzierten Tumoren haben diese Krebszellen ihren Anfang als körpereigene Zellen einer spezifischen Person genommen, mit einer spezifischen DNS. Und das Immunsystem eines jeden anderen Menschen würde dieses fremde Gewebe augenblicklich als Eindringling erkennen und vernichten.«
»Was, wenn jemand das Immunsystem des Opfers ausschaltet, bevor er die Krebszellen injiziert?«
»Sie meinen beispielsweise mit Cyclosporinen? Medikamenten, welche die Abstoßung von Fremdgewebe unterdrücken?«
»Oder Corticosteroide«, schlug Alex vor.
Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht, so viel stand fest. »Wenn man das Immunsystem eines Menschen ausreichend schwächt, dass es Krebszellen eines anderen akzeptiert, ist der Betreffende gleichzeitig allen möglichen anderen Infektionen hilflos ausgeliefert. Er würde auffällig oft krank werden. Sehr krank. Zeigen die medizinischen Aufzeichnungen Ihrer vermeintlichen Opfer auffällige Erkrankungen vor ihrer Krebsdiagnose?«
»Ich habe lediglich Zugriff auf die Akten zweier Opfer. Aber diese Akten zeigen nichts dergleichen.«
Der Corolla war noch vierzig Meter entfernt. Chris ging zwischen den Grabsteinen hindurch, um den Weg abzukürzen. »Wenn Sie die Unterlagen jedes Opfers hätten, könnten Sie eine ganze Menge herausfinden. Sie könnten den Fall ein gutes Stück voranbringen.«
Alex blieb neben einem schwarzen Granitstein stehen und blickte Chris offen an. »Ich fühle mich so überfordert bei dieser Ermittlung … ich meine, mein genetisches Wissen endet beim Unterrichtsstoff der Highschool. Mendel und seine Erbsen. Aber Sie sprechen die richtige Sprache. Sie kennen die Experten, mit denen wir reden müssen.«
»Alex …«
»Wenn ich die übrigen Krankenakten in meinen Besitz bringen kann, würden Sie in Betracht ziehen, mir bei der Durchsicht und Analyse zu helfen?«
»Alex, so hören Sie mir doch zu!«
»Bitte, Chris. Glauben Sie allen Ernstes, Sie wären imstande, nicht immer und immer wieder über das alles nachzudenken?«
Er packte ihre Hände und drückte sie. »Hören Sie mir zu!«
Sie nickte heftig, als wäre ihr mit einem Mal bewusst geworden, dass sie eine Grenze überschritten hatte.
»Ich bin noch nicht sicher, was ich tun soll«, hörte er sich sagen. »Mir schwirrt der Kopf von all den Dingen, die passiert sind, und ich versuche, irgendwie damit zurechtzukommen. Ich arbeite daran, okay? Auf meine Weise. Ich werde morgen meinen Freund beim Sloan-Kettering anrufen.«
Alex schloss die Augen und atmete vor Erleichterung aus. »Danke. Ich danke Ihnen, Chris.«
»Im Augenblick muss ich allerdings
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