Leises Gift
Immunsystem der Primaten.«
»Señor …«
»Wenn ihr in eurem beschissenen Laster einen Sechzigtausend-Dollar-Wagen liefern müsstet, würdet ihr ganz bestimmt höllisch aufpassen, habe ich recht?«
»Sí, Señor!«, grunzte Luis, während er sich mit dem Käfig abmühte. »Aber diese Affen hier …«
»Schimpansen! Wo ist dein zurückgebliebener Partner?«
»Señor! Diese Tiere sind bösartig!«
»Diese Tiere sind wild.«
»Sí. Aber sie sind auch gerissen. Schlau wie Menschen …«
Wahrscheinlich schlauer als ihr beide zusammen, dachte Tarver.
»… Sie tricksen einen aus. Sie tun, als würden sie schlafen oder als hätten sie resigniert, und dann … Dios mio! … reißen sie einem den Kopf ab oder versuchen zu flüchten!«
»Würdest du nicht das Gleiche tun, wenn man dich hungern ließe?«
»Sí, aber … ich bin ein Mensch, Señor. Javier hätte fast das Auge verloren, als einer dieser Schimpansen ihn angegriffen hat. Es hing richtig aus seinem Kopf, das Auge. Ich lüge nicht, Señor! «
Tarver lächelte bei der Vorstellung.
»Was machen Sie überhaupt mit diesen Affen?«
»Ich mache sie krank«, sagte Tarver.
»Señor?«
»Anschließend mache ich sie wieder gesund. Die Arbeit, die ich hier mache, könnte dir eines Tages das Leben retten, Luis. Sie ist es wert, dass jemand ein Auge dafür verliert.«
Luis nickte, doch es war offensichtlich, dass er diese Behauptung infrage stellte.
Außerstande, den Käfig allein zu tragen, überredete er schließlich Javier Sanchez, aus der Fahrerkabine des Lasters auszusteigen. Es erforderte eine Hundert-Dollar-Note aus Tarvers Geldbörse, Javier zum Betreten des Auflegers zu bewegen, doch gemeinsam gelang es den beiden Mexikanern schließlich, den Käfig auszuladen und in die Bäckerei zu tragen. Tarver ärgerte sich, dass er die Fahrer noch einmal extra bestechen musste, doch nachdem er dreißigtausend Dollar für jeden der beiden Schimpansen hingeblättert hatte – was waren da schon hundert Dollar mehr oder weniger?
Tarver begleitete die Mexikaner nach draußen und in den Wareneingang. Kein Lieferant war jemals tiefer in das Innere der Bäckerei vorgedrungen als bis hinter die erste Tür. Als Eldon dorthin kam, hatte sein Adoptivbruder Judah bereits einen Pianokarren mit dem Käfig beladen und schob ihn in Richtung der Aufzugsplattform, die hinunter in den Bunker führte.
Judah war einer der vier Brüder in der Familie, die Eldon als Knaben adoptiert hatte. Er hätte den Käfig mit Leichtigkeit nach unten tragen können. Mit fünfundfünfzig Jahren war er immer noch so breit und stark wie ein Ochse mit einem Schopf schwarzer Haare und hellen Augen unter einer niedrigen Stirn. Er war ein eigensinniges Kind gewesen bis zu dem Tag, an dem sein Vater beschlossen hatte, ihn zu zerbrechen. Seit damals hatte Judah nicht viel geredet, doch er liebte seinen Adoptivbruder Eldon hingebungsvoll, der sich stets um ihn gekümmert hatte in der »Außenwelt«, die so anders war als alles, was die Jungen in ihrer Kindheit in Tennessee kennen gelernt hatten.
Während der Lastenaufzug leise stöhnend in die Tiefe sank, instruierte Eldon seinen Bruder, die beiden Schimpansen zu entlausen, zu baden und anschließend zu betäuben, damit er eine vollständige tierärztliche Untersuchung an ihnen vornehmen konnte. Judah nickte schweigend.
Als der Lift unten ankam, drehte Eldon das Rad, welches das äußere Luftschleusentor öffnete. Hinter der Schleusenkammer lag das Primatenlabor. Niemand, der oben über die Straßen des Viertels fuhr, hätte auch nur im Traum erwartet, dass tief unter der Erde eine solche Anlage existierte. Ein zwanghaft von Reinlichkeit besessener Mensch hätte problemlos vom Fußboden essen können – oder von jeder anderen Oberfläche im Labor, was das anging. Judah reinigte die Anlage täglich mit geradezu spiritueller Aufmerksamkeit für das kleinste Detail. Sterile Bedingungen waren von entscheidender Bedeutung, wenn man die vielen Gelegenheiten für Kreuzkontamination in einem Labor wie diesem bedachte. Dr. Robert Gallo hatte es in seinem AIDS-Labor auf die harte Tour erfahren, und wegen eines ähnlichen Fehlers hatte man erst vor zwei Jahren die Hälfte aller Vorräte an Grippe-Impfstoff vernichten müssen.
An der westlichen Wand des Labors befanden sich die Primatenkäfige, luxuriöse, speziell angefertigte Gehege, entworfen von Eldon und von Judah zusammengeschweißt. Im Augenblick waren dort vier Schimpansen, zwei Dutzend Makaken, vier
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