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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Trance geriet, als eine Hand, die in einem Lederhandschuh steckte, ihre Kehle packte.
    Ehe sie reagieren konnte, packte eine andere Hand ihren Unterarm und rammte die Glock mit Wucht gegen die Wand des Carports. Alex kämpfte mit jeder Muskelfaser in ihrem Körper, doch ihre Bemühungen zeigten keine Wirkung. Sie konnte ihren Angreifer nicht einmal sehen, und seine enorme Masse sperrte alles Licht aus. Sie versuchte das rechte Knie hochzureißen, doch diese Aktion verdeutlichte nur die Ohnmacht ihrer Lage. Ihr Angreifer drückte ihren Unterleib gegen die Wand. Sie wollte schreien, doch ihre Kehle war so fest zusammengedrückt, dass kein Laut hervorkam.
    Denk nach! Was kannst du tun? Welche Waffe hast du noch? Eine freie Hand …
    Sie schlug wieder und wieder in die Richtung, wo sie ein Gesicht vermutete, wilde, verzweifelte Hiebe, doch sie hatten keinerlei Wirkung. Ihre Faust traf auf Fleisch und Knochen, doch ihr Angreifer versuchte nicht einmal, ihren Schlägen auszuweichen.
    Er würde sie erwürgen. In wenigen Sekunden würde sie das Bewusstsein verlieren. Angst wogte in ihr hoch und raubte ihr die Kraft, grenzenlose Angst, die sich zu Entsetzen und Panik steigerte und losbrach wie eine Rakete, die sich aus dem Schwerefeld der Erde löste. Sie versuchte die unsichtbaren Augen mit den Fingernägeln zu attackieren, doch der Mann zog einfach den Kopf zurück, bis er außer Reichweite war. Hatte sie gerade ein Kichern gehört? Tränen der Wut ließen ihre Sicht verschwimmen. Das ohnehin bereits schwache Bild der Straße wurde schwärzer …
    In diesem Moment schepperte der Maschendrahtzaun, und ein wütendes Hundegebell erklang. Ein riesiger Hund warf sich gegen den Zaun am Ende der Auffahrt. Das Tier war fünf Meter entfernt, doch das donnernde Bellen erweckte den Eindruck, als stünde sein Angriff unmittelbar bevor. Der eiserne Griff um Alex’ Kehle lockerte sich für einen Sekundenbruchteil, und der massive Oberschenkel, der sie gegen die Wand drückte, drehte sich zur Seite. Alex nahm alle verbliebene Kraft zusammen, drehte sich in den Schatten ihres Angreifers und rammte das Knie an die Stelle, wo sie seinen Unterleib vermutete.
    Es war ein Volltreffer. Ein explosives Grunzen war die Reaktion. Der Griff um ihren Hals löste sich. Alex stieß einen durchdringenden Schrei aus, der klang wie von einer verängstigten Fünfjährigen. Selbst der Hund verstummte. Doch bevor sie den Augenblick der Unsicherheit zu ihrem Vorteil nutzen konnte, schloss sich die lederne Faust erneut und mit verdoppelter Kraft um ihren Hals, und die andere Hand, die ihren Arm hielt, glitt hinunter zu ihrer Glock.
    Wenn er die Waffe kriegt, bin ich tot …
    Der Angreifer versuchte die Pistole aus ihrem Griff zu entwinden. Verzweifelt rammte Alex die linke Hand tief in ihre Tasche, kramte an ihrem Mobiltelefon vorbei und riss die Wagenschlüssel heraus. Sie holte aus und stieß damit zu, wieder und wieder, wie Norman Bates in Psycho. Sie spürte, wie der Angreifer ihr die Glock entwand, doch mit dem nächsten Schlag traf sie eine strategische Stelle – etwas Weiches, Nachgiebiges jedenfalls –, und ein schmerzerfülltes Stöhnen gab ihr neue Hoffnung. Sie betete, dass sie ein Auge getroffen hatte, während sie herumwirbelte und sich ein Schuss aus ihrer Glock löste.
    Im gleichen Moment wurde es im Carport taghell. Jemand hatte die Beleuchtung eingeschaltet.
    Was sie sah, verblüffte sie: Nicht das Gesicht eines Mannes, sondern etwas Großes, Kastanienbraunes, Unförmiges auf gewaltigen Schultern. Hinter ihr wurde eine Tür aufgerissen. Ein Mann rief eine Warnung, doch die Glock flog beinahe zeitlupenhaft langsam hoch zu ihrem Gesicht, und dann war alles dunkel.
    »Miss? Alles in Ordnung?«
    Alex öffnete blinzelnd die Augen und sah über sich das Gesicht eines kahlköpfigen Mannes in Pyjamas. In der rechten Hand hielt er eine Pumpgun, in der linken ihre Glock.
    Sie betastete vorsichtig ihr Gesicht. Sie spürte Blut, eine Menge Blut. Für einen Moment war sie wieder in der Federal Reserve Bank; auch damals war sie auf den Rücken gefallen, nur dass die Hintergrundgeräusche die von automatischen Waffen und Granaten gewesen waren, eingesetzt vom Geiselbefreiungsteam, und nicht der Südstaatendialekt eines kahlköpfigen Mannes in einem Schlafanzug.
    »Bin ich getroffen?«, fragte sie. »Ich habe Schüsse gehört.«
    »Nein, Sie sind nicht getroffen«, sagte der Mann mit der Pumpgun. »Dieser Kerl hat einen Schuss abgegeben, aber als ich meine

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