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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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glauben würden. Im Mund anfangen, richtig?«
    Chris öffnete den Mund weit.
    Tom nahm einen Zungenspatel aus einem Glas und benutzte ihn, um Chris’ Gaumen und Schleimhäute freizulegen. Dann zog er einen kleinen Zahnarztspiegel aus einer Schublade und machte sich leise fluchend daran, die Mundhöhle zu untersuchen.
    »Verdammt«, murmelte er nach einigen Sekunden. »Das erinnert mich an Höhlenforschung …«
    Chris stieß einen gutturalen Laut der Bestätigung aus.
    »Sieht sauber aus, wenn Sie mich fragen.« Tom zog den Zungenspatel zurück. »Vergessen Sie nicht, nach jeder Mahlzeit Zahnseide zu benutzen.«
    Chris war nicht in der Stimmung für Frivolitäten, doch Tom bedachte ihn trotzdem mit einem ironischen Blick.
    »Okay, was als Nächstes?« »Meine Haare. Sehen Sie unter meinen Haaren nach«, antwortete Chris in Erinnerung an eine Szene mit Gregory Peck in Das Omen.
    Sorgfältig untersuchte Tom Cage die Kopfhaut seines jungen Kollegen. Schließlich sagte er: »Abgesehen von einsetzender typisch männlicher Glatzenbildung kann ich nichts finden.«
    »Gut. Jetzt meine Haut. Jeden Quadratzentimeter.«
    Tom begann am Hals und arbeitete sich von dort aus nach unten vor. »Ich bin froh, dass Sie nicht so ein haariger Bastard sind«, sagte er, während das Licht über Chris’ Brustbein glitt. »Okay, kommen wir als Nächstes zu den Familienjuwelen.«
    »Jede Falte und Vertiefung«, sagte Chris, als er spürte, wie die behandschuhte Hand seine Testikel anhob und seinen Penis überprüfte. »Auch das Loch.«
    »Meine Güte.«
    Tom überprüfte alles; dann kehrte er zu den Schultern zurück. Er untersuchte beide Achselhöhlen, dann die Extremitäten.
    »Zwischen den Zehen ebenfalls.«
    »Das erinnert mich an meine Assistenzarztzeit«, sagte Tom. »Ich habe mehrere Monate im Orleans Parish Prison gearbeitet. Die Cops dort ließen mich zwischen den Zehen von Verdächtigen nach Spuren von Einstichen suchen.«
    »Genau das Gleiche hier«, sagte Chris, indem er sich auf den Bauch drehte.
    »Bringen wir zuerst das Unangenehmste hinter uns«, sagte Tom, und Chris spürte, wie kalte Hände seine Pobacken spreizten. Er erwartete, dass Tom sie sofort wieder loslassen würde, doch das tat er nicht.
    »Was sehen Sie?«
    »Ich bin nicht sicher«, murmelte Tom. »Könnte eine Einstichstelle sein.«
    Chris stockte der Atem. »Ist das Ihr Ernst?«
    »Ich fürchte, ja. Sieht so aus, als hätte jemand versucht, eine Nadel einzustechen, und Sie wären weggezuckt. Wie ein verängstigter Vierjähriger. Definitiv eine Schramme.« »Außerhalb des Afters oder innerhalb?«
    »Direkt bei der Öffnung. Das ist wirklich eigenartig, Chris. Wollen Sie mir nicht erzählen, was das zu bedeuten hat?«
    Chris sprang vom Untersuchungstisch und zog seine Hose an. »Wir müssen Ben ebenfalls untersuchen.«
    Toms Augen weiteten sich. »Was?«
    »Ich meine das absolut ernst, Tom. Er ist vorne beim Empfang. Er hat die gleichen Kopfschmerzen wie ich. Ich sage ihm, dass wir nach Madenwürmern suchen.«
    Tom starrte Chris an, als befürchtete er, sein jüngerer Partner wäre betrunken.
    »Ich bin nicht verrückt, Tom, ganz und gar nicht. Ich wünschte, ich wäre es. Bleiben Sie hier bei mir, während ich Ben untersuche?«
    Ich lasse dich ganz bestimmt nicht mit dem Jungen allein, sagten die Augen des alten Arztes.
     
    Chris jagte mit kreischenden Reifen in die Auffahrt seines Hauses in Elgin. Sein Herz hämmerte vor Wut und Angst. Auf dem Beifahrersitz neben ihm stand eine Holzkiste, die er sich vom Radiologen im St. Catherine’s Hospital ausgeliehen hatte. Das Bild des auf dem Rücken liegenden Ben auf dem Untersuchungstisch verfolgte ihn noch viel stärker als das Video von Thora auf dem Hotelbalkon. Wonach suchst du?, hatte Ben ihn gefragt. Chris hatte gelogen, und Tom hatte ebenfalls gelogen, um ihn zu decken. Doch Chris konnte den missbilligenden Blick in den Augen des älteren Arztes nicht verdrängen. Tom Cage vermutete etwas zutiefst Irreguläres, und Chris wäre es in seiner Lage wohl genauso gegangen. Er musste sich voll und ganz auf das Wohlwollen verlassen, das er sich in neun Monaten des gemeinsamen Praktizierens mit Tom Cage erworben hatte.
    Nachdem er keine Einstichspuren bei Ben gefunden hatte, hatte Chris den Jungen zurück in die Obhut der Arzthelferin am Empfang gegeben und sich selbst in seinem Büro eingeschlossen. Er hatte keine Ahnung, was man ihm injiziert hatte, doch er musste immer wieder an Alex’ Enthüllung denken, dass

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