Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
Weg zurück, auf dem sie gekommen waren. »Bei den Aufzügen gibt es eine Herrentoilette.«
    Er mühte sich in halb geduckter Haltung weiter, während er den Schließmuskel verzweifelt geschlossen hielt. Er nahm sich vor, die Kontraindikationen der Virostatika nachzuschlagen, die er einnahm, sobald er wieder in die Nähe eines Computers kam. Nach einer Zeitspanne, die ihm unendlich lang erschien, kam die Herrentoilette endlich in Sicht. Alex stieß die Tür auf und half ihm in eine Box.
    »Okay, jetzt raus hier!«, ächzte er.
    »Kommst du zurecht?«
    »Raus!«
    Er versuchte einzuhalten, doch er schaffte es nicht so lange, bis sie die Toilette verlassen hatte.
     
    Will Kilmer parkte am Fuß des AmSouth Bank Towers, als Thora Shepard aus ihrem silbernen Mercedes stieg und in die Lobby des Bürogebäudes stürmte. Ihre Ankunft war eine riesige Überraschung. Kilmer war nur hier, weil sein Mitarbeiter, der Rusk beschatten sollte, gemeldet hatte, dass die Zielperson zehn Meilen südlich der Stadt kehrt gemacht hatte und wieder in Richtung Jackson gefahren war. Und weil dieser Mitarbeiter außerdem berichtet hatte, dass Rusk auch von anderen Fahrzeugen observiert wurde, war Will hergefahren, um die Observation zu übernehmen.
    Das Paar, das er in Greenwood auf Thora Shepard angesetzt hatte, hatte den Kontakt abgebrochen, als es Thora beim Auschecken aus dem Alluvian beobachtet hatte. Genau wie Will hatten die beiden angenommen, dass Thora und ihre Freundin auf dem kürzesten Weg nach Natchez zurückfahren würden – doch jetzt war Thora hier und stürmte in Andrew Rusks Büro, und von ihrer Freundin war keine Spur zu sehen. Wo hatte sie Laura Canning gelassen? Will überlegte, ob er aussteigen und hinauf in den sechzehnten Stock fahren sollte, doch was konnte er damit erreichen? Er konnte nicht in Rusks Büro. Auf der anderen Seite – Rusk selbst war ebenfalls nicht da.
    Will stieg aus seinem Ford Explorer und eilte über die Straße.
    Er sagte dem Portier, er wolle zu den Geschäftsräumen von AmSouth im zweiten Stock; dann stieg er in den Lift und drückte die 2 und die 16. Sobald sich die Türen im sechzehnten Stock öffneten, hörte er eine Frau wüst schimpfen.
    »Ich habe die ganze Nacht hier angerufen, verdammt, und heute Morgen wenigstens fünf Mal mit Ihnen gesprochen! Ich habe Ihrem Chef ein Vermögen bezahlt, und ich werde mit ihm reden, auf die eine oder andere Weise!«
    Will stieg aus dem Lift und spähte durch eine breite Tür, die in einen ultramodernen Empfangsbereich führte. Thora Shepard stand mit dem Rücken zu ihm vor einer attraktiven Blondine Mitte Dreißig, die eindeutig Mühe hatte, professionelle Höflichkeit zu bewahren.
    »Mrs. Shepard«, sagte die Rezeptionistin. »Ich habe Ihnen wiederholt gesagt, dass Mr. Rusk nicht in der Stadt ist. Ich habe versucht, ihn übers Handy zu erreichen, bisher leider vergeblich. Ich werde ihm Ihre Nachricht übermitteln und ihn auf die Dringlichkeit Ihrer Situation hinweisen, das verspreche ich Ihnen.«
    Thora stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und sah aus, als wäre sie fest entschlossen, den ganzen Tag dort stehen zu bleiben, falls nötig, um Andrew Rusk zu sehen. Zum ersten Mal, seit Will sie beschattete, war sie normal gekleidet. Keine Designer-Garderobe. Keine schicke Frisur. Nichts außer engen Jeans und einem noch engeren weißen T-Shirt. Sie jagte der Rezeptionistin unübersehbar eine höllische Angst ein, doch die Blondine hinter dem Schalter hielt sich erstaunlich gut.
    Ohne Vorwarnung wirbelte Thora herum und marschierte zurück in Richtung Lift.
    »Möchten Sie nach unten, Ma’am?«, fragte Will.
    »Verdammt richtig!«, giftete Thora.
    Während der Aufzug dem Erdgeschoss entgegenraste, fluchte Thora ununterbrochen leise vor sich hin. In der Enge der Kabine bemerkte Will, dass ihr Hals von hektischen roten Flecken übersät war, als stünde sie kurz vor einem Wutanfall. Unter beiden Augen waren dunkle Ringe. Will musste dringend mit Alex reden. Irgendetwas war passiert in der vergangenen Nacht, und sie mussten unbedingt herausfinden, was es war.
    Als die Lifttüren sich öffneten, marschierte Thora nicht nach draußen auf die Straße. Stattdessen wanderte sie ziellos in der Lobby hin und her wie eine unter Schock stehende Überlebende eines Autounfalls. Will hatte im Lauf seiner Jahre als Cop eine Menge verzweifelter Menschen gesehen und wusste, dass diese Frau durchzudrehen drohte.
    Er zog sein Mobiltelefon hervor und drückte die

Weitere Kostenlose Bücher