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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Mann; dann umarmte sie ihn freundlich und setzte ihren Weg die Main Street hinunter fort. Alex nahm eine kleine Kamera aus ihrer Tasche und schoss ein Foto des Mannes, als dieser auf sie zukam. Er sah aus wie sechzig – wahrscheinlich zu alt, um ein Liebhaber zu sein.
    Alex hatte sich stets ihrer körperlichen Fitness gerühmt, doch Thora durch ihren normalen Tagesablauf zu folgen erwies sich als erschöpfend. Sie stand im Morgengrauen auf, lief mindestens zehn Kilometer, manchmal fünfzehn; dann eine rasche Dusche zu Hause, gefolgt von einem Besuch der Baustelle in Avalon, wo das neue Haus entstand. Dort diskutierte sie eine halbe Stunde mit den Bauunternehmern, ehe sie in ihrem Mercedes Cabrio zum Country Club fuhr, um dort serienweise Bahnen zu schwimmen oder ein paar Sätze Tennis zu spielen. (Alex beobachtete sie für gewöhnlich vom Parkplatz aus.) Anschließend besuchte sie abwechselnd Friseur-und Nagelstudio oder absolvierte Gewichtstraining im Fitnessstudio. Erneutes Duschen, gefolgt von einem Mittagessen mit wenigstens einer Freundin. Sie bevorzugte thailändisches Essen in einem ausgezeichneten Restaurant, nicht weit vom Fitnesscenter entfernt – und dieses Restaurant war aller Wahrscheinlichkeit nach auch jetzt ihr Ziel. Nach der Mahlzeit (Thora aß nur sehr wenig, wie Alex von einem Nachbartisch aus beobachtet hatte) ging es oft ein zweites Mal zur Baustelle.
    Der einzige absolut unumgängliche Stopp des Tages war die St. Stephen’s, wo sie ihren Sohn Ben abholte. Während die meisten anderen Mütter bereits zwanzig Minuten vor Schulschluss kamen und warteten – für den Fall, dass ihre Kinder gleich nach dem Läuten aus dem Gebäude stürmten –, erschien Thora jedes Mal zwanzig Minuten zu spät. Auf diese Weise vermied sie das langweilige Warten und fand Ben in der Regel auf dem Schulhof, wo er das Körbewerfen übte. Nachdem sie ihn nach Hause gefahren hatte, wo sich das Kindermädchen um ihn kümmerte, verbrachte sie den Rest des Nachmittags mit Besorgungen oder Einkäufen, ehe sie ein letztes Mal in Avalon an der Baustelle vorbeischaute, um anschließend nach Hause zu fahren.
    Es war während dieser letzten Stippvisiten auf der Baustelle, dass Dr. Shane Lansing zweimal zu einem zwanglosen Besuch vorbeigekommen war. Alex hatte das Haus nicht betreten, während der Arzt darin weilte, doch sie hatte vor, einen Versuch zu wagen, falls der Chirurg sich erneut blicken ließ. Nach ihren beiden Treffen mit Dr. Shepard (der sie überrascht hatte mit seiner standhaften Weigerung, die Moral seiner Frau in Zweifel zu ziehen) bedauerte sie zum ersten Mal, dass sie Will Kilmer nicht nach Natchez mitgenommen hatte. Der ehemalige Partner ihres Vaters war ein Routinier, was Scheidungsfälle anging, und er verfügte über eine Ausrüstung, mit der er Handys anzapfen und ihre digitalen Signale in Echtzeit dekodieren konnte. Doch Will war bereits vollkommen ausgelastet mit der Überwachung von Andrew Rusk, und Alex konnte sich die Gebühren ohnehin nicht leisten. Sie arbeitete allerdings daran, sich in Thoras E-Mail-Konto zu hacken. Thora trug einen Palm Treo mit sich, wohin sie auch ging, und benutzte das Gerät regelmäßig, um ins Internet zu gehen. Alex war ziemlich sicher, dass Shepard begreifen würde, in welcher Gefahr er schwebte, falls es ihr gelang, auch nur eine einzige Mail abzufangen, die zeigte, dass Lansing und Thora ein Verhältnis hatten. Chris Shepard würde nicht länger zögern, bei ihrem Plan mitzumachen.
    Thora blieb erneut stehen. Diesmal unterhielt sie sich mit einem Mann in ihrem Alter. Als Alex sich vorsichtig näherte, um vielleicht aufzuschnappen, worum es in der Unterhaltung ging, summte ihr privates Mobiltelefon. Sie entfernte sich wieder von Thora und nahm den Anruf entgegen. Am anderen Ende meldete sich die raue Stimme von Will Kilmer.
    »Hi, Onkel Will!« Kilmer war nicht mit ihr verwandt; die Anrede war ein Beweis ihrer Zuneigung.
    »Ich hab ein paar Neuigkeiten für dich«, sagte der alte Mann.
    »Gute oder schlechte?«
    »Schlechte, kurzfristig gesehen. Vor ein paar Stunden hat Andrew Rusk einen meiner Jungs enttarnt und ihn abgeschüttelt.«
    »Scheiße. Was heißt abgeschüttelt? Wie hat er das angestellt?«
    »Der Bastard ist mit seinem Porsche SUV runter zum Pearl River und direkt durch den Schlamm gefahren. Mein Mann hatte einen Crown Victoria, der im Schlamm keine Chance hatte. Ich glaube nicht, dass Rusk es aus lauter Spaß gemacht hat. Ich denke, er hatte etwas Wichtiges

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