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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Versuchen lehnte sie sich zurück und ließ zu, dass er zehn Milliliter dunkles, venöses Blut in den Spritzenkolben abzog. Wären sie im Labor gewesen, hätte er sicherlich mehrere Ampullen gefüllt, doch zehn Milliliter waren besser als gar nichts. »Meine Güte«, sagte Thora und drückte den Finger in die Ellbogenbeuge, um die Gerinnung zu erleichtern. »Ich komme auf einen Kuss herein, und du tust mir weh. Kein Wunder, dass ich so selten Lust habe, dich auf der Arbeit zu besuchen.«
    Chris lachte. Äußerlich nahm er ihre Bemerkung leicht, doch insgeheim dachte er, dass seine Vermutung bezüglich ihrer Abneigung gegen die Praxis wohl stimmte. Es erinnerte sie irgendwie an ihren Vater, und sie wollte nicht daran erinnert werden. »Ich dachte, du magst es, wenn ich dir weh tue.«
    »Nicht heute.« Sie erhob sich und ging in sein privates Büro zurück.
    Als Chris dort ankam, hatte sie ihr Kopftuch wieder angezogen und schob ihren Palm Treo in die Handtasche. »Ich muss noch eine Menge vorbereiten für meinen Ausflug«, sagte sie und kam zur Tür.
    »Bist du zu Hause, wenn ich Ben holen komme?«, fragte er. »Wir haben heute Baseballtraining.«
    »Training?« Thora kniff die Augen zusammen. »Ben hat heute Abend ein Spiel, Chris. Du trainierst das letztjährige Meisterschaftsteam.«
    »Meine Güte, du hast recht!«
    Thora lachte. »Ich kann nicht glauben, dass ich es wusste und du es vergessen hattest. Die Welt scheint sich heute andersherum zu drehen.«
    »Nach dem Morgen, den ich hinter mir habe, würde mich das nicht im Geringsten überraschen. Ich hoffe nur, der Rest des Tages verläuft besser.«
    Sie schüttelte verblüfft den Kopf. »Wir haben späten Nachmittag, Chris.«
    Er blickte auf die Uhr. Sie hatte recht. »Meine Güte. Jede Wette, dass meine Assistentinnen stinksauer auf mich sind.«
    »Hast du was gegessen?«
    »Nichts mehr seit heute Morgen.«
    Thora trat nach draußen in den Gang und blickte zu ihm zurück. »Du solltest die Praxis schließen und rüber ins Krankenhaus fahren. Du kannst dort in der Cafeteria essen.«
    »Ja, mach ich. Möchtest du mitkommen?«
    »Nein. Ich bin noch voll Sushi.«
    »Irgendwie bezweifle ich das. Du hast vielleicht zwei oder drei Bissen gegessen.«
    Sie schubste ihn neckisch; dann rief sie Holly einen Abschiedsgruß zu, die vor der Tür zum Röntgenzimmer stand. »Wir sehen uns zu Hause, okay?«, sagte Thora und drängte sich gegen ihn. »Vielleicht können wir nach Bens Spiel wiederholen, was wir gestern Abend gemacht haben …?«
    Er wollte antworten, als er spürte, wie ihre Hand sich um seine Hoden schloss. Sie blickte ihn vielsagend an und drückte zu.
    »Vielleicht«, sagte er und lief rot an.
    Thora lachte leise, drehte sich um und ging zum Hinterausgang. Ihre Seidenhose raschelte um ihre Knöchel.
    Nachdem die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, ging Chris zu Holly und gab ihr die Spritze.
    »Welche Werte möchten Sie haben?«, fragte seine Assistentin.
    »Ein vollständiges Blutbild und einen Chem-20 Serumtest. Aber werfen Sie kein Serum weg, Holly. Vielleicht brauche ich noch mehr Tests, je nachdem, was ich finde.«
    »Okay.« Holly wandte sich ab und ging zum Labor.
    Chris drehte sich um und sah Jane, seine Sprechstundenhilfe, die ihn hinter ihrem Tresen neugierig anstarrte. »Alles in Ordnung, Chef?«, fragte sie.
    »Sicher. Warum?«
    »Sie sind heute irgendwie nicht Sie selbst.«
    »Ich bin total erledigt.«
    Jane schnaubte. »Dann sollten Sie vielleicht Schluss machen für heute. Zeit, den Futtersack umzuschnallen, Süßer.«
    »Längst überfällig«, sagte die medizinische Assistentin hinter ihm. »Selbst Dr. Cage ist schon vor einer Dreiviertelstunde gegangen.«
    Chris schüttelte den Kopf. Wenn Tom schon zum Essen gegangen war, dann war er definitiv zu lange in der Praxis geblieben.
    »Sie haben noch einen Patienten, Chef«, erinnerte ihn Holly, als sie durch den Gang wieder zu ihm kam. »Mr. Patel, Raum vier. Klingt nach einer entzündeten Gallenblase, wenn Sie mich fragen.«
    Chris kehrte in sein privates Büro zurück und schloss hinter sich die Tür. Er musste Patel dringend untersuchen, doch im Moment konnte er sich nicht auf den Patienten konzentrieren. Er umrundete seinen Schreibtisch und setzte sich. Ohne recht zu wissen warum, öffnete er die Schublade. Während der Bewegung wurde ihm bewusst, dass er es tat, um zu überprüfen, ob Thora seine Sachen durchwühlt hatte.
    Warum sollte ich mir deswegen Gedanken machen?, überlegte er.
    Dann

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