Leitfaden China
selbst vom Delegationsleiter allein geführt werden.
Chinesische Verhandlungspartner haben ein klares Verständnis von Machtverhältnissen. Sie reagieren sehr schnell und sehr hart, wenn sie den Eindruck erhalten, in die Ecke gedrängt zu werden. Auf der anderen Seite werden sie dies mit ihrem Verhandlungspartner selbst versuchen.
Das Gleichgewicht zwischen konziliantem und kompromisslosem Verhandeln ist deshalb relativ schwierig zu finden. Zu konziliantes Verhalten wird von chinesischer Seite schnell als Schwäche interpretiert, ein zu harter Stil hingegen wird mit gleicher Härte beantwortet. Mit wachsender Akzeptanz des ausländischen Gegenübers ist ein langsamer Wechsel von konfrontativem zu konsensorientiertem chinesischem Verhandeln verbunden.
Viertes Kapitel
Andere Schwierigkeiten im Umgang zwischen westlichen und chinesischen Geschäftspartnern
1. Loyalitätsfragen
Loyalitäten sind in Asien deshalb stärker ausgeprägt, weil in den Kollektivgesellschaften der Bezug zur eigenen Gruppe und die Absetzung derselben von anderen Gruppen, wie im Modell dargestellt, wesentlich wichtiger ist als in einer westlichen Individualgesellschaft. Loyalität ist dabei in Asien immer ein konkretes Konstrukt, das in Personenbeziehungen verankert und damit an Verpflichtungsmuster gebunden ist.
Als Ausländer im chinesischen Kulturraum Geschäfte zu machen, heisst deshalb, sich in diese Loyalitätsmuster einzufügen oder sich diese Loyalitäten zu erarbeiten. In Japan und in Korea dürfte dies etwas einfacher sein, da die Grundloyalität ursprünglich auf der Dorfgemeinschaft beruhte und heute einer Wirtschaftseinheit gilt (Chie, 1984; Fukutake, 1982). Von ihr hängt das Wohl der Kernfamilie ab. In China – und im übrigen auch im arabischen Raum – ist hingegen der Familienklan das Zentrum der Gesellschaft, die Loyalität gilt primär der Familie (Fei, 1992, (1947); Bond, 1990, 1995). Eine Geschäftspartnerschaft muss deshalb eine gute Grundlage aufweisen, wenn sie als gleichwertig akzeptiert werden soll. Idealerweise wäre hier ein Kontakt von Familie zu Familie gefragt, wie er zum Teil in Unternehmerkreisen von Klein- und Mittelunternehmen mit den ausländischen Geschäftspartnern gepflegt werden kann. Für multinationale Gesellschaften hingegen ist diese Art von Kontakt leider auf Grund der Grössenverhältnisse oft ausgeschlossen.
Auch im Führungsbereich nehmen Loyalitätsfragen eine zentrale Stellung ein. Wenn es der Unternehmensleitung nicht gelingt, das Unternehmen wie in Japan als neue, umfassendere Familie darzustellen, dann besteht eine grosse Gefahr, dass sich die Angestellten zum Wohl ihrer Kernfamilie am Firmengut bedienen. Die Vergangenheit der kommunistischen Arbeitseinheiten hat diesem Verhalten noch Vorschub geleistet, da ja nach der Theorie die Produktionsmittel allen gehört haben. Es ist deshalb auch heute noch ein Problem für viele Staatseinheiten, dass die offiziellen Fahrzeuge – beispielsweise ein Krankenwagen – an Wochenenden für private Ausflüge missbraucht werden.
Die Loyalitätsfrage dürfte namentlich für den chinesischen Staat in seiner Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik ein grosses Problem bilden, da sich die Akteure nur an ihren eigenen Interessen orientieren. In vielen Fällen werden sich diese nicht mit den Staatsinteressen decken. Wie der chinesische Staat diese Auswüchse im gesamtchinesischen Interesse kontrollieren kann, dürfte eine der grössten chinesischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein.
2. Rechtsverständnis
Wie bereits angedeutet, ist in einer als fliessend begriffenen Welt die Rechtssicherheit nicht in demselben Mass vorhanden wie in einer als statisch wahrgenommenen Realität. Das chinesische Rechtsverständnis wird deshalb auch in Zukunft trotz weiteren Verbesserungen der Gesetze und des Rechtswesens viel stärker situativ geprägt sein als kontinentaleuropäisches Recht. Nirgends wird dies auch in Zukunft deutlicher zum Ausdruck kommen als im Vertragsrecht. Die westliche Grundformel der pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten – steht geradezu für den Versuch, mit einem Abkommen eine sich verändernde Welt stabil und dienstbar zu machen. Nichts wäre falscher, als sich in China auf ein solches Vertragsverständnis zu verlassen.
Verträge sind nichts anderes als ein Festschreiben von Machtverhältnissen zur Zeit des Vertragsabschlusses. Wenn die chinesischen Partner nach einigen Wochen Informationen haben, die ihre Seite
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