Leitfaden Homöopathie (German Edition)
(Neurosen, Belastungsreaktionen, psychosomatische Erkrankungen).
14.3 Psychiatrische Diagnostik nach ICD 10
Hahnemanns Überlegungen sind auch heute noch grundlegend für die homöopathische Behandlung psychischen Leidens. Die von Hahnemann vorgedachte und bis in die Psychiatrie der 90er Jahre beibehaltene, weil klinisch brauchbare Unterteilung in somatogene und psychogene Geistes- und Gemütskrankheiten, d.h. „endogene Psychosen“ und „psychogene Neurosen“ wurde mit Einführung des ICD 10 aus pragmatischen (leichtere Handhabbarkeit des diagnostischen Instrumentariums mittels Fragebögen) und ideologischen (scheinbar strikte Orientierung am Beobachtbaren) Gründen aufgegeben. Nach Meinung der Autoren ist die aktuelle, am ICD 10 orientierte psychiatrische Diagnostik in weiten Bereichen klinisch unbrauchbar in Bezug auf differenzierte therapeutische Überlegungen, insbesondere der homöopathischen Therapie.
Es gibt auch nach mittlerweile 150 Jahren intensiver biologischer Forschung keine objektiven Parameter, die eine eindeutige Diagnose psychischer Krankheiten sichern. Die Erkrankungen, von denen im Folgenden in erster Linie gesprochen wird, sind im ICD 10 unter den Kodierungen F0–F99 erfasst. Bei im ICD 10 unter FO (organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen), F06 (Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns) , F07 (Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns) und F10–F19 (Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen) erfassten Syndromen infolge traumatischer, toxischer oder anderweitiger Hirnschädigung kann und muss die Diagnostik mit objektiven Verfahren begründet werden. In Bezug auf diese Erkrankungen gelten die in diesem Buch in Kap. 4 beschriebenen Grundsätze für die homöopathische Behandlung körperlicher Erkrankungen.
14.4 Homöopathische Behandlung
14.4.1 Voraussetzungen
Natürlich muss, wie bei jeder Erkrankung, vor Beginn der homöopathischen Behandlung eine umfassende und exakte „schulmedizinische“ Diagnostik erfolgen, insbesondere um organische Hirnerkrankungen oder andere körperliche Erkrankungen abzugrenzen. Selbstverständlich kann auch ein Angstsyndrom, das durch einen latenten Diabetes mellitus verursacht ist, homöopathisch behandelt werden. Dies wird jedoch erst nach exakter Diagnosestellung und einer notwendigen Einleitung einer entsprechenden Substitutionstherapie erfolgen.
Darüber hinaus sind bei psychischen Erkrankungen vor Beginn der homöopathischen Behandlung noch einige weitere Punkte zu beachten. Noch genauer als bei der Behandlung anderer chronischer Krankheiten, muss das Umfeld des Patienten und des Krankheitsgeschehens untersucht werden:
Unabdingbar für die erfolgreiche homöopathische Behandlung psychischer Erkrankungen ist eine zumindest teilweise Krankheitseinsicht des Patienten . Diese Einsicht muss nicht unbedingt im akuten Schub oder in einer akuten Phase vorhanden sein. Aber bei Abklingen der Symptome aufgrund entsprechender psychopharmakologischer oder homöopathischer Therapie muss der Patient in der Lage sein, seine Erkrankung als schwere Lebenskrise anzuerkennen. Er muss akzeptieren, dass ihn seine Erkrankung überfordert hat und dass er auf ärztliche Hilfe angewiesen ist. Der Patient muss ein genuines Interesse daran haben, dass sich der für ihn bzw. für seine Umgebung unerträgliche Zustand ändert, d.h. er muss zumindest im freien Intervall behandlungsbereit sein.
Bestehen vonseiten des Patienten und seiner Angehörigen die Bereitschaft und die Möglichkeit, auch die finanzielle Möglichkeit, sich auf einen mehrjährigen Behandlungsverlauf einzulassen?
Verfügt der Patient über ein stabiles soziales Umfeld , das die Behandlung mitträgt (bzw. möglichst wenig stört)?
Besteht vonseiten des Patienten und seines Umfeldes die Bereitschaft , vorübergehende Verschlechterungen des psychischen Zustandes des Patienten, beispielsweise im Rahmen einer homöopathischen Erstverschlechterung mitzutragen?
Kann mit dem Patienten und seinen Angehörigen ein Übereinkommen über einen vernünftigen Umgang mit psychopharmakologischer Medikation getroffen werden (im Einzelnen Kap. 14.6 )?
Bestehen zusätzlich zur akuten psychischen Erkrankung latente psychische Konflikte – sowohl bei dem Patienten als auch möglicherweise in der Umgebung des Patienten –, die durch die Erkrankung stabilisiert werden, d.h.
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