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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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und - wohl zum ersten Mal seit der Katastrophe - gründlich alles besprechen, was sich seither ereignet hatte. Manchmal hatte der eine oder die andere kurzzeitige Phasen von Abspannung und Nervosität, aber die wurden immer schnell überwunden; jedenfalls waren sie Lappalien im Vergleich zu der Belastung, die sie vorher verspürt hatten.
    Die Anomalie schien jetzt wirklich ihr Maximum erreicht zu haben, die Amplitude der Resonanzen wuchs nicht mehr, sondern war schon zwanzig Stunden gleich geblieben, und sie sahen nun schon stündlich nach, ob sie nicht bald zu sinken anfing.
    Am dritten Tag aber machte Gemma sich Sorgen. Was sie störte und beunruhigte, wurde zuerst im Medicom sichtbar. Einen halben Tag danach spürte es der eine oder andere schon gelegentlich. Obwohl die Intensität des Randfeldes nicht mehr anstieg, ließ die desynchronisierende Wirkung der Potentiale allmählich nach.
    Als Rigel um ein Beruhigungsmittel bat, schüttelte Gemma den Kopf und biß sich nervös auf die Lippen. Wollte denn dieses verdammte Randfeld nicht endlich schwächer werden? Und wenn es im Gegenteil stärker würde? Aber nein, Mira hatte gesagt. Doch auch Mira hatte nur vage Rechnungen.
    Beide Zugänge mit Steinen versetzen, alle in die Anabiose gehen und die Mäuse Mäuse sein lassen? Das blieb ihnen immer noch. Nein, sie waren noch nicht am Ende. Rigel hatte recht - Sedativa. Als sie mit der Elektrobehandlung begann, hatte sie die Beruhigungsmittel abgesetzt. Wenn man sie jetzt zusätzlich einnahm. Warum weiß ich so wenig, so verdammt wenig? Und was soll das dauernde Verdammt, ist doch sonst nicht mein Lieblingswort, also ruhig, ruhig, überlegen. Was denn überlegen? Ach ja, die Pillen. Es gab drei Möglichkeiten: Entweder sie unterstützten die Elektrobehandlung und halfen ihnen wieder ein Stück weiter, oder sie wirkten entgegengesetzt und verschlimmerten alles. Oder, drittens, sie bewirkten gar nichts.
    Wenn doch die ALDEBARAN käme, dachte Gemma in einem Anfall von Mutlosigkeit. Aber nein, sie kann noch nicht kommen, jetzt noch nicht, in einer Woche vielleicht, und bis dahin.
    Ich werde - dachte Gemma, und dann gebot sie sich Einhalt. Sie hatte sich eben zu einem weiteren Selbstversuch entschließen wollen, mit Beruhigungstabletten, aber plötzlich fragte sie sich, ob sie sich nicht zu schnell entschlösse, ob sie denn wirklich alles durchdacht habe. Siebenmal messen, einmal abschneiden. Daß die Wirkung der Behandlung nachließ, mußte doch einen Grund haben. Die Anomalie hatte sich nicht verändert, die Potentiale hatten sich nicht verändert. Also mußte das Gehirn sich verändert haben. Nicht spezifisch, sondern bei allen gleich. Na klar, ihre Köpfe waren erschöpft, sie leisteten ununterbrochen Schwerstarbeit, da mußte ja. Aber dann waren Beruhigungsmittel genau das Falsche! Das Gegenteil war nötig!
    Und war das nun genügend durchdacht? Das Gehirn, das so schon mit höchster Leistung arbeitete, noch weiter anzutreiben? Wieder empfand sie schmerzhaft ihre Begrenztheit; ganz gewiß würde sie, wenn man sie hier herausgeholt haben würde, studieren, bis ihr der Kopf rauchte, aber das nützte jetzt gar nichts. Sie mußte mit dem Wissen auskommen, das sie hatte, und denken. denken. Wenn sie die Elektrobehandlung nicht hätte, würde sie wahrscheinlich überhaupt nicht nachdenken können. Na eben, das bedeutete doch, daß die Behandlung zugleich Belastung und Entlastung war; oder anders: Die Belastung war spezifisch, erfaßte nicht das ganze Hirn, sondern nur Teile, Teilsysteme; welche, wußte sie nicht, aber ein Anregungsmittel würde das ganze Gehirn aktivieren, und eventuell verteilte das auch die Belastung auf die Nachbarsysteme. Vielleicht Unsinn, aber es war doch einen Versuch wert. Einen Versuch womit? Mit einem schwachen Mittel zunächst, es kam ja erst einmal darauf an festzustellen, ob überhaupt eine Wirkung eintrat.
    Rigel saß jetzt unter der Haube des Medicom. Gleich war sie dran. Sie stand auf und tippte ihm auf die Schulter. Dann wechselten sie.
    »Rigel, mach mir bitte eine Tasse Tee!« sagte Gemma.
    »Was? Was soll ich dir machen?«
    »Unter den ganz eisernen, ganz geheimen Reserven unserer Küche befindet sich eine Büchse schwarzer Tee, im Fach C drei ganz hinten.«
    Der Tee schien Zauberkraft zu besitzen. Er bewirkte, daß die Elektrobehandlung wie bisher anschlug, und steigerte sogar ihr Wohlbefinden. Auch als sie nach einer Stunde die Haube des Medicom weitergab, hatte die Wirkung nicht

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