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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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nachgelassen. Gemma verordnete daraufhin für jeden, der unter die Haube ging, eine Tasse Tee.
    Die Stimmung unter den Gefährten war schon tagelang nicht mehr so gut und fröhlich gewesen wie heute. Nur zum geringeren Teil war das ein Ergebnis des Wohl- oder richtiger: des Besserbefindens. Sie alle bewunderten Gemma; nicht, daß sie ihr wenig zugetraut hätten; aber nicht einmal Rigel, geschweige denn Toliman hätten gedacht, was in ihr steckte und jetzt hervortrat, wie sie mit sicherer Hand und ohne Aufhebens in dieser Situation die rettende und führende Rolle im Kollektiv spielte. Einzig Mira hatte seit langem etwas davon geahnt, und sie freute sich deshalb um so mehr. Rigel war selbstverständlich unbändig stolz auf Gemma, und auch Toliman fühlte sich in gewisser Weise bestätigt - es war richtig gewesen, daß er sich schon einmal, bei der Exerzise, Gemmas Führung anvertraut und sie dann auch im folgenden nicht mehr gehemmt hatte; das trug gewiß dazu bei, daß sie jetzt tun konnte, was sie tat.
    Nur Gemma war sich klar darüber, daß auch der Tee lediglich eine schnell vorübergehende Hilfe sein konnte. Schon morgen - wenn sich sonst nichts änderte - dürfte er nicht mehr die Wirkung haben wie heute, dann mußte sie stärkere Mittel einsetzen, die Eskalation war unvermeidlich, und sie konnte nur darauf hoffen, daß ja nun bald die Intensität der Anomalie nachlassen mußte.
    Trotzdem war sie wie gewöhnlich guter Dinge; aber mit einer für sie neuen Hellsichtigkeit erkannte sie, daß sich da etwas in den Kollektivbeziehungen umgekehrt hatte: Früher war sie es gewesen, die die anderen aufheiterte - jetzt war es umgekehrt. Vielleicht, weil sie in dieser Lage tonangebend war, so wie damals Toliman tonangebend gewesen war? Eigentlich ganz einfach: Wer die Einsicht hatte, der hatte auch die Sorgen und der bedurfte am meisten der Ermunterung.
    Der nächste Tag aber brachte neue Einsichten, die ihre Sorgen zwar noch nicht zerstreuten, aber doch minderten. Der Resonanzdetektor zeigte an, daß die Intensität des Randfeldes nachließ.
    Selbstverständlich hatten sie auch während des Maximums die Instrumente abgelesen, ab und zu einen Blick auf das Panorama geworfen, das die Ballonkamera lieferte und überhaupt die dringlichsten Außenarbeiten, soweit sie nicht stundenlang dauerten, erledigt. Sie hatten keine weiteren Farbveränderungen in den Schneisen im Süden festgestellt, es schien also, daß die Springmäuse nicht weiter vormarschierten, sei es nun, daß ihre Zeit noch nicht gekommen war, sei es, daß sie ebenfalls durch das Randfeld beeinflußt waren. Nun aber, da die Wirkung auf die Hälfte abgeklungen war, dunkelten sich die Schneisen auf dem Bild fortschreitend ab - offenbar waren die Mäuse auf dem Vormarsch und fraßen dabei die Vegetation auf.
    Das Wetter war im wesentlichen gut, und auch das Biest war wieder zum Schiff gekommen und nahm seine Bohnen in Empfang. Aber es war immer noch unruhig oder besser: wieder und auf andere Art. Gemma schien es, als wolle das Biest sie nach Norden locken. Es entfernte sich auch nicht mehr nach Süden, und es kam immer zögernder bis zum Schiff. Gemma war ganz sicher, daß dieses Verhalten mit den Mäusen zu tun hatte; sie wußte nur nicht, ob das Biest schon irgendwelche Signale über deren Annäherung erhielt oder ob es einfach instinktiv, der Jahreszeit entsprechend reagierte.
    Und dann, eines Morgens, kam das Biest nicht mehr bis zum Schiff. Es blieb etwa hundert Meter weiter nördlich stehen und zischte. Gemma ging zu ihm hin und gab ihm Bohnen. Das Biest legte Hals und Kopf auf den Boden, eine Aufforderung an Gemma aufzusteigen. Und als Gemma das nicht tat, erhob sich das Biest, schwenkte den Hals hin und her, drehte sich um, galoppierte ein Stück, sah dann noch einmal zurück und lief weiter. Gemma winkte ihm nicht nach, um es nicht zu irritieren, aber sie wußte, daß das der Abschied war. Als sie zu den andern zurückkam, lächelte sie traurig und abwesend, als müsse sie um Entschuldigung bitten, daß ihr die Trennung naheging.
    Mira legte ihr den Arm um die Schultern. »Es war doch für uns alle ein Freund«, sagte sie, »obwohl es ausgerechnet dich adoptiert hat. Geholfen hat es uns allen. Auch jetzt wieder. Sieh mal hier!«
    Das Bild der Ballonkamera zeigte, daß sich schon fast die ganzen Schneisen dunkel verfärbt hatten. Die Springmäuse mußten bereits einige Kilometer vor dem Rand des Gebirges stehen.
    »Zwei Dinge müssen wir herauskriegen«,

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