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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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zitterten. Trotzdem drängte keiner Gemma zur Entscheidung, und erst recht beneidete niemand sie darum, daß sie diese Entscheidung fällen mußte.
    Was ihr diese schwierige Aufgabe erleichterte, war die Aussicht, daß das Maximum der Anomalie in drei, vier Tagen überschritten sein würde und man dann die Prozedur allmählich aussetzen konnte, wenigstens ihren Dauerbetrieb. Und was auch immer spätere Folgen sein mochten - im Augenblick war klar, daß sie diese Tage ohne Schutz nicht überstehen würden. Freilich, sie wurden nur vom Randfeld gestreift, während der Kapitän mitten drin gewesen war - aber er hatte das Schutzfeld gehabt, die stabilisierten Wände des KUNDSCHAFTERS; und so würden sie sehr bald an den Punkt kommen, wo sie sich ebenfalls wie seinerzeit der Kapitän in Anabiose begeben mußten, wenn sie überleben wollten. Und eben das durften sie nicht, angesichts der möglichen Gefährdung durch die Springmäuse. Sie hatten jetzt keine Wahl, sie mußten um jeden Preis aktionsfähig bleiben.
    Und trotzdem war Gemma nicht bereit, jeden Preis zu zahlen. Sie nutzte die vierundzwanzig Stunden - mit Ausnahme ihrer Schlafzeit -, um alles gründlich zu durchdenken und jeden kleinen Hinweis, den ihr Selbstversuch lieferte, soweit sie irgend konnte zu berücksichtigen.
    Wenn man davon absah, daß ihr Versuch eine grundlegende Erkenntnis, eine rundum zufriedene Lösung nicht geliefert hatte und wohl auch nicht hatte liefern können, bei der Begrenztheit der Mittel und der Unzulänglichkeit ihres Wissens und ihrer Erfahrung - wenn man also davon absah, war es gar nicht so wenig, was sie ihrem eigenen Empfinden und den Protokollen entnehmen konnte, vor allem, wenn sie die kurzzeitigen EEGs der anderen dazu nahm.
    Beispielsweise war deutlich zu erkennen, daß der Einfluß der Resonanzen im Schlaf schwächer war oder wahrscheinlich richtiger: daß das Gehirn im Schlaf besser damit fertig wurde. Das hatte freilich auch eine andere Seite, die die Dringlichkeit einer Lösung bekräftigte: Wenn die andern schon so schlecht geschlafen hatten - wie schwer mußte erst der Tag werden, ohne Schutz! Denn Mira hatte inzwischen festgestellt, daß die Stärke der Resonanzen nicht von der Rotation des Planeten abhängig war; sie durften also nicht damit rechnen, daß die Wirkung des Randfeldes sich wenigstens etwas abschwächen würde, wenn der Planet sich zwischen ihnen und der Anomalie befand.
    Sie hatte außerdem festgestellt, daß die notwendige Desynchronisation der Gehirnwellen am wirksamsten erreicht wurde, wenn die Potentiale nicht gleichzeitig mit dem Auftreten der Piks angelegt wurden, sondern eine bestimmte, sehr kleine Zeitspanne davor, und sie vermutete, daß diese Zeitspanne nicht bei allen gleich war. Sie mußte also auch die andern noch einmal je eine Viertelstunde unter die Haube nehmen, bevor sie endgültig ihre Maßnahmen bekanntgab und verwirklichte, und schon diese Viertelstunde war für jeden von ihnen eine solche Erleichterung, daß es für sie alle und auch für Gemma kein Zurück mehr gab.
    Ihr Plan war kompliziert und forderte ein hohes Maß an Disziplin, aber er leuchtete allen sofort ein und wurde ohne die geringste Diskussion akzeptiert und auch gleich in die Tat umgesetzt. Folgendermaßen sah das Verfahren aus, das sie zusammengestellt hatte:
    Der Medicom wurde überhaupt nicht angetastet. Jeder von ihnen bekam Elektroden, die von einem eigenen Geber mit dem der Person entsprechenden Vorlauf Potentiale erteilten, und die Geber wurden wiederum vom Resonanzdetektor gesteuert. Damit keine Verschiebungen auftraten oder damit sie, wenn sie auftreten sollten, möglichst klein gehalten werden konnten, saß immer einer von ihnen eine Stunde lang unter der Haube des Medicoms, wobei der Betreffende zu schlafen hatte, bis dann, gegen Ende der Stunde, sein Geber neu justiert wurde. Zugleich bot das eine relative Sicherheit gegen Nebenwirkungen, wenigstens gegen solche, die während der Laufzeit des Verfahrens sichtbar wurden: Der Medicom würde sie anzeigen, und Gemma behielt sich vor, in solchem Fall das Verfahren für den einzelnen oder auch für alle zu ändern. Dabei sollte jeder einmal am Tag zwei Stunden ohne Behandlung schlafen.
    Die ersten zwei Tage lief das Verfahren erfolgreich. Bald fühlten sich alle bedeutend besser. Sie konnten zwar jetzt das Schiff nicht verlassen, aber sie konnten arbeiten, und wenn die Arbeit getan war, es gab jetzt nicht mehr allzuviel zu tun, konnten sie lange Debatten führen

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