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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Schichtpause«, empfahl Gemma, »wir sind gerade mitten drin!«
    »Gut«, sagte Toliman, »geh du zuerst ins Faß, Mira, ich mach inzwischen die Betten.«
    Das »Faß« war die luxuriöseste Einrichtung des Pilotschiffes, ein Wasserstrahlenbad, in dem man bis zum Hals saß und das eben mit Wasser betrieben wurde, nicht mit Aerosolen wie die sonst üblichen Duschsäcke.
    Mira ließ sich das nicht zweimal sagen. Baden war ihr zweitgrößtes Vergnügen, hatte mal jemand festgestellt, und das bißchen Ironie, das in dieser Feststellung mitschwang, rührte wohl daher, daß dieser betreffende Jemand nicht in die Lage versetzt worden war, ihr »erstgrößtes« Vergnügen beurteilen zu können.
    Die Betten, die Toliman inzwischen zurechtmachen wollte, waren selbstverständlich auch Schiffsbetten, und das Schlafzimmer ein Schiffszimmer. Einige der Ringe, in die die Innenfläche der Kugel aufgeteilt war, enthielten Liegen unter einem aufblasbaren Zelt, und wenn diese Schlafzimmer auch sehr klein und niedrig waren, so enthielten sie doch für Raumschiffverhältnisse einen ziemlichen Luxus. Einschlaf- und Weckhilfen, Kopfhörer, Leselicht und eine Trennwand zwischen den beiden Liegen, die sich verstellen ließ, so daß jeder auch die Möglichkeit hatte, einmal ganz allein zu sein.
    In einem großen Raumschiff war das alles gewiß einfacher zu bewerkstelligen, dort hatte man Kabinen und andere Trennungsmöglichkeiten, und dabei waren sie dort in der Regel weniger nötig, weil die meisten Reisenden erst am Ziel wach wurden und dann die kurze Zeit bis zur Rückreise fast ununterbrochen tätig waren. Hier aber, im KUNDSCHAFTER, mußte man von vornherein damit rechnen, daß vorfristig geweckt würde, und dann konnte es wie jetzt auch passieren, daß die Besatzung sehr lange miteinander arbeiten mußte. Da war es unabdingbar, daß jeder die Möglichkeit bekam, seine Intimsphäre zu wahren und so offen oder abgeschlossen zu gestalten, wie es ihm paßte - das hatte sich längst als eine psychologische Notwendigkeit bei langen Reisen herausgestellt.
    Diese Einteilung, daß Mira badete und Toliman die Betten machte, war ein Ritus. Und sie hatten beide diesen festen Brauch nötig, vor allem Mira, die sonst auch im Gefühlsleben viel spontaner empfand und handelte. Das war eine Folge der Anabiose; nach einer viele Jahrzehnte umfassenden praktischen Handhabung hatten die Mediziner jeden störenden Faktor und jede Quelle etwaiger späterer Defekte ausgeschaltet, und die Sternfahrer erwachten wirklich in einer körperlichen Verfassung, als sei es Morgen und sie seien am Vorabend rechtzeitig schlafen gegangen - aber eben nur in der körperlichen Verfassung. Was die Mediziner nicht beheben konnten, waren die seelischen Folgen des Wissens um die verflossene Zeitspanne; und diese Folgen äußerten sich, bei einem mehr, bei dem anderen weniger, aber fast immer mit dem gleichen Effekt: in einer Art Fremdheit gegenüber den anderen, gegenüber der Umgebung und sogar gegenüber sich selbst. Und bei normalen, gesunden Paaren, die ja doch einander kannten und verbunden waren, erzeugte diese Fremdheit zugleich starkes erotisches Begehren und die Unsicherheit einer ersten Begegnung.
    Mira, deren Nervensystem schnell und heftig auf alle tieferen Eindrücke reagierte, fand in der wohligen Berührung des warmen Wassers die völlige Entspannung, aus der heraus sich eine freudige, mit dem Partner harmonisierte Spannung der ganzen Persönlichkeit aufbauen ließ, ja, eigentlich von selbst aufbaute, man mußte nur aufmerksam auf die kleinen Zeichen des anderen horchen und auf ihre leisen Echos in der eigenen Seele. Toliman dagegen fand in der Betätigung die Möglichkeit, sein Begehren auf einem erträglichen Anfangsniveau zu stabilisieren - er benutzte manchmal so umständliche Umschreibungen, um sich selber besser zu verstehen. Dabei war das gewiß nicht schwer zu durchschauen: Er hatte wahrhaftig genug Phantasie, sich vorzustellen, wie seine großen Hände Miras nackte, magere Schultern umspannten - aber jetzt mußte er mit eben diesen Händen den Luftdruck in ihrem Bett prüfen, es gab Geräte dazu, freilich, aber es galt zwischen ihnen der freundliche Aberglaube, daß kein Gerät so genau Miras bevorzugte Einstellung der Pneumatik prüfen könne wie eben Tolimans Hände. Toliman wollte alle Einzelheiten ihres »Schlafzimmers« prüfen, ob sie richtig angeordnet waren, ob alles vollständig war, und er hatte das schnell und planvoll zu tun. So, nun noch die
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