Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
irgend etwas Wichtiges, Unerklärliches, Verblüffendes; denn den Arm hatte sie ausgestreckt in nordöstliche Richtung, und es dauerte ein paar Sekunden, bis es ihr gelang, darüber zusammenhängend zu sprechen.
    »Da ist eine Stadt!« sagte sie. »Oder vielmehr, es sieht aus, wie eine Stadt vielleicht aussehen könnte!«
    Jetzt rächte es sich, daß sie noch nicht einmal die Zeit gehabt hatten, einen Aufstieg zu einer der Höhen anzulegen, die das Tal begrenzten - oder daß sie sich, der festgelegten Strategie folgend, diese Zeit nicht genommen hatten. Denn das Biest ließ niemand außer Gemma auf seinen Hinterkopf. So konnte zunächst nur Gemma die Erscheinung sehen.
    »Beschreibe sie«, sagte Toliman, der diese Schwierigkeit sofort erkannte.
    »Gebäude mit runden Formen, kleine dicke und lange schlanke. Weiß und gold sind die vorherrschenden Farben, auch bläuliche Schattierungen kommen vor. Legt ein langes Seil bereit, ich komme runter und laß mich dann von dem Biest oben absetzen. Übrigens steht das Bild kopf, es ist eine Luftspiegelung. Haben wir nicht noch eine einfache Farbfilmkamera? Rigel, wenn du sie schnell findest. Das sieht aus wie.. ja, wie aus Tausendundeiner Nacht, kennt ihr das? Irgendwie orientalisch. Es bewegt sich auch ein bißchen, die spiegelnden Luftschichten kommen in Bewegung, da wird das Bild bald verschwinden, nehmt mal unten die Richtung, Toli, markiere den Punkt unter mir, und Mira, da drüben hin, nein, noch weiter nach links, halt etwas zurück - so, das ist die Richtung. Alles da? Ich komme herunter!«
    Sie veranlaßte das Biest, sie abzusetzen, dann nahm sie Seil und Kamera und saß wieder auf. Was sie wollte, war doch nicht so einfach zu erreichen, es schien dem Instinkt des Tieres diesmal aus irgendeinem Grund zuwiderzulaufen, daß es sie oben absetzen sollte, und da sah sie auch schon, daß das Bild zu verschwimmen begann.
    »Ich mach noch schnell ein paar Aufnahmen, ehe es zu spät ist!« sagte sie und zückte die Kamera. Sie ließ sie drei Minuten ununterbrochen laufen, dann war der Speicher voll.
    Die genaue Betrachtung der Aufnahmen war Anlaß, die ausstehende Entscheidung noch einen weiteren Tag zu verschieben. Jeder, selbst Toliman, wollte lieber über die ferne Stadt spekulieren als ernstlich an die Grundfragen herangehen. Warum nicht noch einen Tag warten? Siebenmal messen - einmal abschneiden, sagte ein alter Gewandmeisterspruch.
    Hier dagegen konnte man herrlich spinnen, seiner Phantasie freien Lauf lassen oder auch Meßbares heraustüfteln. Letzteres war schnell geschehen, man stellte die Richtung fest, die Winkelhöhe der Spiegelung, nahm irgendwelche Mittelwerte von klimatischen Koeffizienten und erhielt schließlich das ungenaue und sehr unzuverlässige Ergebnis, daß das Urbild der Spiegelung sich in Ostnordost im Abstand von fünfzig bis hundert Kilometern befinden müßte oder könnte, ungefähr da, wo der Nordstrom den östlich angrenzenden Sumpf wieder verließ.
    »Kannst du nicht mal aufzeichnen oder malen, wie das vorher aussah, zu Anfang, meine ich, als du uns gerufen hattest«, bat Toliman. »Hier auf den Bildern kann ich nur sehr undeutlich eine Stadt sehen, und auch nur dann, wenn ich mir große Mühe gebe!«
    Gemma versuchte es, aber es gelang ihr nicht sehr gut, sie war zeichnerisch nicht begabt. Trotzdem war doch wenigstens in Ansätzen etwas von dem zu erkennen, was Gemma als orientalisch bezeichnet hatte.
    »Na also«, stellte Rigel fest, der einen Zweifel an Gemmas Beobachtungen - oder genauer: an deren Zuverlässigkeit - herausgehört hatte. Das mochte wohl auch der Grund sein, daß er, dessen Denken sich sonst auf Maschinen beschränkte, nun die ausschweifendste Phantasie entwickelte.
    »Na also«, sagte er, »da hätten wir ja die Bewohner dieses verrückten Planeten! Ich denke mir, die wollen nichts von uns wissen, sonst hätten sie sich doch schon gemeldet! Oder vielleicht ist dieses Dingsda, diese Anomalie, gar keine Anomalie gewesen, sondern irgendeine Abwehr?«
    Toliman schüttelte den Kopf. »Wir haben zwar jetzt keine Luftaufnahme von diesem Gebiet greifbar, und die gesamte Elektronik können wir nun mal nicht anschmeißen, aber ich entsinne mich genau, an der Stelle war keine Stadt. Es war überhaupt nichts Stadtähnliches auf dem Planeten.«
    Merkwürdigerweise fand Rigel, sonst allem Theoretischen und jeglicher Spekulation abhold, noch eine Entgegnung. »Muß ja keine Stadt sein«, sagte er, »die müssen ja nicht in Städten wohnen.

Weitere Kostenlose Bücher