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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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diese Stunden. Vielleicht, hoffte sie plötzlich, war man am Morgen klüger? Wenn sich die Spannung gelöst hatte?
    Als sie zu Bett gingen, begann Toliman ihr seine Haltung zu erklären - obwohl doch sie ihn angegriffen hatte. Er tat das wohl auch nicht, um sich zu verteidigen, sondern, wie Mira bald spürte, um selbst Klarheit zu gewinnen. Daß er sich durchsetzen würde, wenn er ganz und gar davon überzeugt wäre, daß die Argumente der anderen nichtig seien, sagte er; und daß er die Leitung abgeben würde, wenn er zu der Überzeugung kommen müßte, daß seine Argumente nichtig seien; und daß er jetzt nicht weiter wisse, da man doch offenbar nur eins von beiden könne: entweder im Tal bleiben - oder nicht im Tal bleiben, seine Grenzen überschreiten.
    Je länger Toliman sprach, um so deutlicher fühlte Mira, wie ihr Verlangen nach ihm wuchs - sie hätte nicht sagen können, warum, Toliman sprach ganz sachlich, frei von Zorn, Klage oder Selbstmitleid, und sie war zu sehr mit ihrem Verlangen beschäftigt, um zu erkennen, daß eben hinter dieser Sachlichkeit, die selbst Ergebnis der Überwindung kleinlicher Gefühlsregungen war, eine tiefe innere Hinwendung zu ihr stand, und daß ihr Verlangen nur das nicht bewußte Echo darauf war. Schließlich begriff sie es aber doch und legte ihm zwei Finger auf die Lippen. Es wurde die längste ihrer bisherigen Nächte.
    Als sie - welche Disziplinlosigkeit! - unausgeschlafen in den neuen Tag gingen, unterdrückte Toliman das Bedürfnis, zu tanzen und zu springen und die Welt zu umarmen; aber Mira zweifelte, ob sich eine solche Nacht je wiederholen würde.

 
5
    Das Biest war wieder da. Am folgenden Morgen war es durch das graubraune Tal herangestapft, schnaufend und zischend, hatte Gemma mit allen jetzt schon vertrauten Anzeichen der Freude begrüßt und ihr eine Bohne von der Hand genommen. Es war freilich nicht lange geblieben, im Tal gab es ja jetzt nichts zu fressen, und fressen mußte dieses Riesentier beinahe unaufhörlich. Aber schon am Nachmittag war es wiedergekommen. Es gab nicht eher Ruhe, bis Gemma sich mit ihm zu beschäftigen begann.
    Dabei war diese halbe Stunde ein wirkliches Opfer. Die vier Raumfahrer arbeiteten so gut wie ununterbrochen, um die Pflanzung wieder herzustellen. Ein bißchen überrascht waren sie, daß ihnen das alles diesmal leichter vorkam, es ging auch schneller, sie schafften es im wesentlichen an diesem einen Tag
    - die ständige körperliche Arbeit hatte offenbar Kraft und Geschicklichkeit gestärkt.
    Trotzdem waren am Abend alle so erschöpft, daß es keiner Diskussion bedurfte, um die ausstehende Entscheidung auf den nächsten Tag zu verschieben.
    Zu Miras großem Erstaunen schien Toliman den ganzen Tag über an alles andere gedacht zu haben als an ihre Meinungsverschiedenheit. Als sie im Bett lagen, fragte er plötzlich: »Was meinst du, wenn wir wieder zurück sind an Bord und auf der Erde - bleiben wir dann zusammen?«
    Mira antwortete nicht. Im Augenblick wußte sie dazu wirklich nichts zu sagen, so etwas mußte schließlich gründlich bedacht sein. Da erklärte Toliman: »Man muß doch mit dem Menschen leben, der einem Glück bedeutet und für den man das Glück bedeutet - alles andere zerstört das Leben!«
    Mira war schon dabei einzuschlafen, als sie diese Sätze vernahm. Ihren Sinn verstand sie zwar, aber sie erkannte kaum noch, was ihr im wachen Zustand bestimmt aufgefallen wäre, nämlich, daß Toliman den halben Tag an diesem Text gedrechselt hatte; und so beendete sie die Debatte mit der keineswegs ablehnend gemeinten, aber doch etwas distanzierenden Bemerkung: »Du spinnst!«
    Die Aufräumungsarbeiten an den beiden Kraftwerken und dem »Teekessel« reichten bis zum nächsten Mittag, auch das Wasser des Bachs wurde untersucht, und am Nachmittag kam das Biest wieder, um mit Gemma zu spielen. Das Wetter war besonders heiß, keine Wolke stand am Himmel, und Rigel erwog gerade, ob man in dieser heißen Jahreszeit nicht neben dem Schiff in das Bett des Baches hinein eine Badewanne oder sogar ein kleines Bassin sprengen sollte, da alarmierte ihn ein Ruf von Gemma. Noch während er herumfuhr, wurde ihm klar, daß das nicht ein Notruf war, und so stürzte er auch nicht gleich unüberlegt los, als er Gemma wie schon so oft oben auf dem Hals des Tieres sitzen sah, gleich hinter dem Kopf. So hoch freilich hatte das Biest sie bisher noch nicht gehalten, sie mußte über den Rand des Tals hinaus sehen können, und da sah sie offenbar

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