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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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mußten.
    Schlimmer war es schon, daß die Ballonbeobachtung fast unmöglich geworden war. Wenn der Regen eine bestimmte Stärke erreichte, drückte er den Ballon einfach nach unten. Dagegen war selbst Rigels Kunst machtlos. Sie blieben deshalb im unklaren, was die Entwicklung im Klippendreieck und im südlichen Wald betraf. Vor allem letzteres beunruhigte Gemma. Sie hatte ihre Befürchtungen zu so etwas wie einer systematisierenden Vermutung zusammengefaßt - der Begriff Theorie wäre ihr zu hochtrabend erschienen -, der zufolge die Springmäuse in der kühleren Jahreszeit im Norden lebten, man war ja auf der Südhalbkugel, und in der wärmeren in den
    Südlichen Wäldern; dort offenbar in Familien, bis die Jungen selbständig waren. In Familie konnten sie anscheinend selbst viel größeren Tieren gefährlich werden, also etwa dem hundegroßen Tier, dessen Kadaver sie gesehen hatte, aber sicherlich nicht solchen Riesen wie dem Biest. Nein, die Panik, die diese Mäuse und ihre Pfiffe unter den hiesigen Tieren verbreiteten, mußte aus der Situation herrühren, wenn sie in Massen auftraten, also bei dem vermutlich jährlich zweimaligen Wechsel des Biotops. Wahrscheinlich wanderten sie zu Tausenden oder Zehntausenden, das war schwer zu schätzen, aber es war klar, daß ihnen dann nichts widerstehen würde; auf dem Zug mußten sie eine schreckliche Naturkatastrophe darstellen für alles, was sich ihnen in den Weg stellte, sei es belebte oder tote Natur. Daher die Glätte und die gleichaltrige Vegetation der Täler. So ergab sich die Frage: Was würde mit dem KUNDSCHAFTER geschehen, wenn dieses Meer von Mäusen durch das Tal flutete? Ohne Schutzfeld war er kaum widerstandsfähiger als die schweren Schutzanzüge; und die, die Gemma und Toliman getragen hatten, waren unbrauchbar geworden. Dort, wo die Mäuse ihren ätzenden Biß angesetzt hatten, war das Material am nächsten Tag völlig zerstört gewesen.
    Es war nicht sofort allen bewußt geworden, wie gefährlich diese kleinen Tierchen unter Umständen werden konnten - zu lange hatten alle geglaubt, bei der Quelle der Panik unter der Tierwelt müsse es sich um riesige Raubtiere handeln. Erst nach und nach, je öfter man besprach, was in dem Fall zu tun wäre, wenn ein solcher Zug noch zur Zeit ihrer Anwesenheit stattfände, begriff einer nach dem andern, daß dagegen nichts auszurichten wäre. Wenn der Leitstrahl einmal abgegeben war, reichte die restliche Energie im allergünstigsten Falle höchstens für zehn Minuten Schutzfeld aus, und ein solcher Zug würde ganz gewiß länger dauern.
    Noch freilich konnte man sich damit trösten, es müsse ja nicht so sein, und wenn, dann würden sie nicht mehr hier sein. Und so nahmen eigentlich nur Gemma und Rigel, mit dem sie Verteidigungsvarianten besprach, diese Gefahr völlig ernst.
    Noch ernstere Sorgen machte die Regenperiode nämlich Mira. Die Wolken, die auch nachts nicht wichen, nahmen ihr fast jede Möglichkeit, die Sterne zu beobachten. Gerade jetzt aber wäre es notwendig gewesen, den umgebenden Raum und die Sterne jede Nacht zu messen, nicht nur, weil irgendwann die Anomalie auftauchen konnte, sondern auch, weil die Daten für die Absendung des Leitstrahls überprüft und präzisiert werden mußten, vor allem Zeitpunkt und Richtung. Unter normalen Umständen wäre das freilich eine Routineaufgabe für die Automatik gewesen. Hier aber war sie nicht nur auf optische Beobachtung beschränkt; auch die sonst immer verfügbare Grundlage jeder Beobachtung, die genaue Zeit, von Atomuhren zuverlässig vorgegeben und von der Automatik in bezug auf andere bewegliche Objekte präzise relativien, war nicht vorhanden - war doch für den KUNDSCHAFTER der Zeitfluß seit dem Start von der ALDEBARAN auf unberechenbare Weise unterbrochen worden, beim Passieren der Anomalie, und ihre jetzige Zeitrechnung war so ungenau, daß sie um Tage differieren konnte gegen die Zeit des Mutterschiffs. Diese Ungenauigkeit mußte und konnte noch verringert werden - aber dazu war klarer Nachthimmel notwendig.
    Trotzdem war die Stimmung fast fröhlich. Tag für Tag wurden nun schon einzelne Teile der Sendeanlage kontrolliert, alle hatten damit zu tun, und diese gegenständlichen Beweise für die bevorstehende Erfüllung ihrer Aufgabe wirkten stärker auf das Gemüt als alle abstrakten Wenn und Aber. Außerdem grünte und blühte ringsum alles, das Tal war in ein Meer von Farben getaucht, zwischen dem eintönigen Gras waren plötzlich Pflanzen

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