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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Schreckliches verbarg, das jetzt unabweislich auf ihn zukam - und nun war er bereit, sich dem zu stellen. »Wieso Illusion?«
    »Unsere Überlegungen«, begann Mira fast dozierend, »unsere Vorhaben, unsere ganze Strategie fußen darauf, daß das Licht derjenigen Sterne, die als Navigationsfixpunkte dienten, die Anomalie unverändert passiert hat. Folglich, haben wir gedacht, muß auch unser Leitstrahl die ALDEBARAN erreichen, selbst wenn wir hier im Randfeld der Anomalie liegen sollten.«
    »Ja?«
    »Wir wissen aber nur, daß das Licht in Richtung und Frequenz unverändert war. Die automatischen Protokolle sagen nichts aus über eventuelle Schwankungen der Amplitude, über Polarisation und darüber, ob die Hyperfeinstruktur der Linien unverändert geblieben ist. Für die Navigation war das ohne Belang. Aber in einem Leitstrahl.«
    Mira vollendete den Satz nicht. Toliman wußte so gut wie sie, was daraus folgte. In einem Leitstrahl, hätte sie fortfahren müssen, sind die Informationen so dicht gepackt, daß die kleinsten Schwankungen in diesen Bereichen sie zerstören mußten. Die ALDEBARAN würde den Leitstrahl zwar empfangen, aber nicht lesen können. Und das wäre schlimmer, als wenn sie gar nichts empfangen würde. Denn dann würde sie das Gegenteil tun von dem, was nötig war: Sie würde den Flug beschleunigen, um dem KUNDSCHAFTER zu Hilfe zu kommen. Und unfehlbar in die Anomalie fliegen. Und es war nicht unwahrscheinlich, daß es solche Schwankungen geben würde. Es war bei den Schwingungen, die die Anomalie hervorrief oder die sie begleiteten, sogar sehr wahrscheinlich. Beinahe sicher.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte Mira, »du wirst von mir keine Eskapaden mehr erleben. Keine Sprunghaftigkeit, keine Launen. Nur die gleichmäßige, beherrschte, liebevolle Frau, die du dir immer gewünscht hast. Sei ruhig, widersprich nicht, ich weiß es.«
    Und merkwürdig, obwohl das gar nicht in den Zusammenhang paßte, obwohl es, gemessen an dem Problem, das sich da auftat, nahezu nichtig war - es beruhigte ihn. Vielleicht, weil es dem Ungeheuerlichen Ruhe entgegensetzte. Er vermochte sogar zu scherzen.
    »Da hast du bestimmt auch schon überlegt, wie dem abzuhelfen ist?«
    »Ja«, sagte Mira ganz ernst. »Zweierlei können wir tun. Wir müssen den Leitstrahl zum frühestmöglichen Zeitpunkt senden, wo er nicht mit der Kausalität in Konflikt kommt, gleich nach dem letzten Funkkontakt mit dem Mutterschiff, das ist eine halbe Woche früher, als wir bisher gedacht haben, vielleicht ist da das Randfeld noch nicht so stark. Und dann müssen wir den Inhalt radikal kürzen, nur die Tatsachen der Anomalie mitteilen, die Medicom-Daten des Kapitäns und unseren gegenwärtigen Standort. Und diesen Text prägen wir nicht wie üblich auf, sondern ganz grob, in Signalen, die länger sind als die möglichen Verzerrungen. In Morsezeichen. Sie werden zwar überlegen müssen, um dahinterzukommen, aber sie werden es rauskriegen.«
    Noch übersah Toliman nicht alle Zusammenhänge, aber es schien ihm doch, daß Miras Vorschläge gründlich durchdacht waren.
    »Und das hast du dir so lange aufgehoben!« sagte er zärtlich.
    »Es kann ja sein, daß das alles nicht eintritt«, meinte Mira. »Wir werden sehen. Jetzt kann ich ja das Licht gründlich untersuchen, wenn die Zeit heran ist. Aber.«
    »Aber du bist sicher, daß es so ist«, sagte Toliman.
    »Ja. Aber nicht sicher werden wir sein, ob der Leitstrahl die ALDEBARAN wirklich erreicht, bis sie zu uns kommt und uns holt.«
    Sie schwiegen lange. Dann meinte Toliman: »Ich sag schon wieder was Banales. Du bist eine großartige Frau.«
    Der bedeckte Himmel der Vortage hatte eine ausgesprochene Regenperiode eingeleitet. Die Sonnenkollektoren lieferten wenig Strom. Aber das war nicht weiter schlimm, es stellte sich heraus, daß ihre kleine, primitive Ökonomie doch schon multistabil war: Die Staubecken lieferten nun um so mehr; freilich mußten sie auch öfter gewartet werden. Die Bohnen und Kräuter wuchsen kaum langsamer, allerdings wurden sie nun gelegentlich mit einem Zelt überdacht, damit sie nicht zuviel Wasser abbekamen. Daß das alles so funktionierte und daß sich dabei der Arbeitsaufwand gar nicht allzu sehr erhöhte, war unbestreitbar das Verdienst Rigels und seiner unermüdlichen Erfindungskraft. Nur der Teekessel brauchte jetzt viel länger zum Kochen, die Menge des abgekochten Wassers reichte bei einiger Einschränkung gerade aus, daß sie nicht ihre Reserven angreifen

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