Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
Cartwright täuschten einen Hustenanfall vor, um ihr Lachen zu verbergen.
Lady Camden, Lady Dalton und die Witwe Ramsey blickten sich stumm und entsetzt um. Alle drei wären vermutlich in der Lage, einen Kommentar dazu abzugeben, gehörten sie doch zu jenen Damen der Gesellschaft, die angeblich in den Genuss seiner Liebeskünste gekommen waren.
Thomas konnte sich vorstellen, dass mindestens die Hälfte der Ballgäste mit wollüstiger Freude darauf wartete, eine pikante Szene zu erleben, die einer melodramatischen Theaterinszenierung alle Ehre machen würde. Den Gefallen wollte er den Klatschmäulern unter keinen Umständen tun.
» Lady Amelia.« Er begrüßte sie betont freundlich, wenngleich nicht gerade herzlich, und verbeugte sich höflich. Sein Mund verzog sich zur Andeutung eines Lächelns.
Irritierend blaue Augen starrten ihn mit solchem Entsetzen an, dass er beinahe lachen musste. Beinahe, nicht ganz. Amelia schluckte. Und dann war es, als ob vor ihrem Gesicht plötzlich ein Vorhang zugezogen würde: Ihre Miene wirkte völlig verschlossen.
» Guten Abend, Lord Armstrong«, erwiderte sie kühl und schob ihr Kinn vor, als sie andeutungsweise knickste. Nur das Zittern in der Stimme verriet ihre Nervosität… Oder war es womöglich Angst?
Sie hätte allen Grund dazu, einen Eklat zu fürchten. Thomas genoss diesen Eindruck und hoffte, dass sie in ihrem Mieder aus französischer Spitze zitterte wie Espenlaub.
» Beehren Sie mich mit diesem Tanz?«, fragte er liebenswürdig und streckte ihr die Hand entgegen. Er wusste sehr wohl, dass niemand das von ihm erwartete. Ein Mann, der dermaßen beleidigt worden war, musste doch eher Lust verspüren, es ihr irgendwie heimzuzahlen.
Es machte ihm Spaß, die Leute zu verblüffen. Er wusste genau, sie lechzten nach einem Skandal, einem peinlichen Auftritt. Benahmen sich wie die Zuschauer bei einem Boxkampf, wollten Blut sehen, obwohl es natürlich niemand zugeben würde. Doch in Wahrheit wollten sie eine Abwechslung von ihrem feinen, langweiligen Lebensallerlei.
Die Atmosphäre war aufs Äußerste gespannt. Die versammelten Ballgäste hielten den Atem an, während er auf Antwort wartete. Niemand gab sich die Mühe, auch nur so zu tun, als habe er kein Interesse an der Begegnung, die sich vor aller Augen gerade abspielte. Thomas war überzeugt, dass diese Szene noch wochenlang die Liste der beliebtesten Klatschgespräche der Londoner Salons anführen würde.
Amelia glaubte den Verstand zu verlieren oder zumindest unter Bewusstseinsstörungen zu leiden. Nein, es war ausgeschlossen, dass er sie gerade eben um einen Tanz gebeten hatte.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich erneut, denn dieser verdammte Kerl stand zu allem Überfluss viel zu nahe bei ihr. Sie nahm den für ihn so typischen Duft jetzt ganz intensiv wahr. Diesen Duft, den sie zu verabscheuen behauptete. Warum nur war sie zu diesem verdammten Ball gegangen? In diesem Moment sehnte sie sich in ihre eigenen vier Wände zurück! Sogar Sokrates, Platon und Aristoteles wären ihr jetzt lieber als das. Bereitwillig würde sie sich in deren Schriften vertiefen, wenn sie nur diesen Lord Armstrong nicht sehen müsste.
Aber da stand er vor ihr, die Kiefer fest zusammengepresst, und tat so, als verkörpere er den Gipfel der Wohlanständigkeit. Ja, es entsprach durchaus seinem Stil, sie mit purer Freundlichkeit zu beschämen. Zu beobachten, wie sie sich qualvoll wand, dabei gleichzeitig falsches Mitgefühl zur Schau stellend. Und dann kam der Augenblick, in dem sie aufs Parkett schritten… Amelia zitterte, konnte sich gut vorstellen, welche Wiedergutmachung er einfordern würde.
Aber falls er darauf spekulierte, dass sie angesichts ihres blamablen Benehmens stotterte oder eine geheuchelte Entschuldigung über die Lippen brachte, dann sah er sich gewaltig getäuscht. Klar, dass er als Gentleman versuchte, die Peinlichkeit zu überspielen und durch Wahrung der Form vergessen zu machen. Nun, das beherrschte sie ebenfalls. Obwohl ihr Vater heftig widersprechen würde, konnte sie sich durchaus wie eine echte Lady benehmen, wenn die Situation es verlangte. Und im Moment schrie sie geradezu danach.
» Guten Abend, Lord Armstrong. So gerne ich auch…«
Irgendjemand zupfte am Tüll ihres Kleides und ließ sie innehalten, bevor sie Armstrongs Aufforderung ablehnen konnte. Mit einem erschrockenen Blick nach links bemerkte sie ihre Anstandsdame, diese dürre Gestalt im hochgeschlossenen braunen Popelinekleid, die noch entsetzter
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