Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
Und musste sich mit aller Macht zwingen, sich nicht umzudrehen und ihm ihre Empörung ins Gesicht zu schreien. Es wäre ohnehin sinnlos. Zudem sagte ihr der Instinkt, dass es besser sei, die Kräfte für jene Schlachten aufzusparen, die mit Sicherheit noch vor ihr lagen. Amelia glitt durch die Tür, ohne sich noch einmal umzuschauen.
» Sie ist nicht glücklich.« Lord Bradford verkündete nicht mehr als das, was ohnehin auf der Hand lag.
» Deshalb empfindet sie die Maßnahme auch als Strafe. Sie geht davon aus, dass ihr Unangemessenes zugemutet wird«, erwiderte Thomas trocken und zuckte lässig die Schultern.
» Ja, aber wenn Amelia nicht glücklich ist, schafft sie es spielend, die anderen um sich herum ebenfalls unglücklich zu machen.«
Thomas zog einen Mundwinkel hoch. » Im Umgang mit anderen mag das der Fall sein. Ich kann dir allerdings versichern, dass ihr Elend, was auch immer es sein mag, mein Wohlbefinden keinesfalls beeinträchtigen wird.«
So etwas würde ihm kein zweites Mal passieren. Das hatte er sich geschworen nach dem ersten gescheiterten Liebesabenteuer, als er noch ein ganz junger Mann gewesen war, gerade dem Jünglingsalter entwachsen. Er würde sich von niemandem mehr den Schlaf rauben lassen, schon gar nicht von einer aufsässigen und verzogenen jungen Dame mit einem losen Mundwerk.
» Aus diesem Grund habe ich mich ja an dich gewandt. Wenn ich überhaupt jemanden kenne, der sie unter Kontrolle bringen kann, dann bist du das. Seit dem Tod ihrer Mutter habe ich unglücklicherweise genau dort die Zügel schleifen lassen, wo eine feste Hand vonnöten gewesen wäre.«
Bei Thomas schrillten sämtliche Alarmglocken. » Harry, ich hoffe sehr, dass du meinen Sinneswandel nicht als Indiz missverstehst, dass mein Interesse an deiner Tochter sich grundsätzlich verändert hätte.« Jedenfalls nicht in einer ehrenhaften Richtung, wie der Marquess das vielleicht hoffte.
Denn dessen erfreuter Gesichtsausdruck sprach Bände. Falls Harry wirklich auf eine Verbindung zwischen ihnen spekulierte, würde er am Ende schrecklich enttäuscht sein. Thomas war lediglich daran interessiert, ihr eine Lektion zu erteilen.
Oder sie zu bestrafen, ganz wie man es sehen mochte.
Harry Bertram lachte leise. » Ganz bestimmt nicht. Ich hoffe nur auf eine liebenswürdigere Tochter. Das ist alles.«
Diese Versicherung änderte nichts an der bösen Vorahnung, die sich in Thomas Armstrong breitmachte. Allerdings konnte Amelias Vater keinen Einfluss nehmen, denn er würde schließlich Tausende Meilen weit weg sein, auf der anderen Seite des Ozeans.
» Nun, dann hoffen wir mal, dass du sie bei deiner Rückkehr verändert vorfindest. Hoffentlich zum Besseren.«
» Das wünsche ich mir ernstlich. Eigentlich sollte man denken, dass sich bei ihrer Schönheit und ihrer Mitgift die Bewerber die Klinke in die Hand geben müssten. Stattdessen nichts. Nur fünf Heiratsanträge in der zweiten Saison, dazu von Gentlemen, die zu fade sind, um sie auch nur eine Stunde lang ertragen zu können. Kein Fünkchen Verstand in ihnen.«
» Ich tue, was ich kann.« Was er jedoch mit der kleinen Miss vorhatte, das verriet er nicht.
Zehn Minuten, nachdem er sich von Lord Bradford verabschiedet hatte, eilte Thomas die St. James Street hinunter in Richtung Süden zu seinem Londoner Stadthaus. Er musste seine Mutter benachrichtigen, dass sie in den nächsten Monaten Einquartierung bekamen. War nur die Frage, wo das Zimmer für Lady Amelia hergerichtet werden sollte– im Dienstbotenquartier oder im Gästeflügel? Thomas lächelte. Rache ist süß, besagte ein Sprichwort. Man musste sie nur richtig dosieren.
Sie werden auf dem Land bei mir wohnen.
Amelia war bereits in ihrem Schlafzimmer angekommen, als die Worte noch immer in ihrem Kopf widerhallten wie eine Unheil verkündende Melodie. Sie musste nachdenken. Geheime Pläne schmieden. Die Dringlichkeit der Lage ließ ihren Verstand auf Hochtouren arbeiten. Es kam ihr vor, als säße ihr Vater mit ihr in einer Kutsche, deren Achse gebrochen war, während sie gleichzeitig mit vier Zugpferden voranstürmten… So etwas konnte nur in einer Katastrophe enden. Folglich duldete die Angelegenheit keine weitere Verzögerung.
Rasch warf sie ein paar Zeilen aufs Papier, die unverzüglich an Lord Clayborough überbracht werden sollten. Der Mann hatte zwar nicht viel aufzuweisen, war lediglich der Erbe eines verarmten Barons in Derbyshire, aber was ihm an Vermögen fehlte, machte er mit seiner
Weitere Kostenlose Bücher