Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
zumal wenn sie nur über begrenzte finanzielle Möglichkeiten verfügten, für nicht wert, sich überhaupt mit ihnen zu befassen. Nein, er würde sie aller Wahrscheinlichkeit nach endgültig in ein Kloster schicken, und zwar für den Rest ihres Lebens. Denn beerben konnte sie ihn ja ohnehin nicht. Ja, wenn sie als Junge geboren worden wäre…
Amelia unterbrach ihre nutzlosen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf ihren künftigen Ehemann. Musterte ihn argwöhnisch und fragte sich nach den Ursachen seiner gefurchten Stirn und der Schweißperlen im Gesicht, an denen dunkle Haarsträhnen klebten.
Er öffnete den Mund. Aber bevor er mit einer Litanei von Entschuldigungen und Überlegungen zur Unvernunft ihres Vorschlags beginnen konnte, hinderte sie ihn mit erhobener Hand am Sprechen. » Natürlich haben Sie recht. Sobald es um seinen Schwiegersohn geht, kennt mein Vater kein Pardon.« Immer beklagte sie sich über sein Desinteresse. Wie schön wäre es, wenn er das auch in diesem speziellen Fall an den Tag legen würde.
Lord Clayborough indes schien ihre Worte missverstanden zu haben. Man sah, wie seine Schultern sich entspannten, wie die starre Haltung sich lockerte und die Farbe in sein Gesicht zurückkehrte.
» Ich bin froh, dass wir uns einig sind.« Sein Lächeln allerdings wirkte etwas unsicher.
» Wenn Sie meinen, es lässt sich nicht sofort machen, müssen Sie nach der Abreise meines Vaters nach Devon kommen. Dort wohne ich auf Lord Armstrongs Anwesen.«
Der Baron stolperte, fing sich aber gleich wieder. » Armstrong? Sie halten sich auf dem Besitz von Viscount Armstrong auf?«
Amelia warf ihm einen scharfen Blick zu. Brach etwa seine Stimme ein wenig, als er den Namen aussprach? Es konnte wohl nicht sein, dass er unter einer so lächerlichen Sache wie Eifersucht litt. Das gehörte zu den Gefühlen, die sie keineswegs duldete, denn es bedeutete gleichzeitig, einen Besitzanspruch zu erheben, und das würde sie weder ihm noch irgendeinem anderen Mann gewähren. Nicht einmal ihrem Ehemann.
» Ja, so ist es. In den Augen meines Vaters kann der Mann gar nichts falsch machen.«
Lord Clayborough strich sich nachdenklich über das Kinn. » Aber Armstrong…«
» Oh, ich bitte Sie, lassen Sie uns kein weiteres Wort über diesen schrecklichen Mann verlieren. Es reicht, dass ich mich in dieser vertrackten Lage befinde. Mir ist der Ruf des Viscount sehr wohl bewusst, doch wie es aussieht, hegt mein Vater in dieser Hinsicht keinerlei Bedenken. Männern werden oft Freiheiten gestattet, die man Frauen verweigert.«
Clayborough nahm dazu keine Stellung, drängte bloß zum Aufbruch. » Lassen Sie uns den Rückweg antreten. Ich möchte nicht, dass Ihr Vater erneut seine Männer ausschickt, um Sie persönlich abzuholen, falls Sie zu lange wegbleiben«, sagte er trocken und schob die Hand unter ihren rechten Ellbogen, als sie sich umdrehten und in Richtung der wartenden Kutschen zurückgingen.
» Sobald mein Vater abgereist ist und ich mich in Devon eingerichtet habe, nehme ich Verbindung zu Ihnen auf. Bis dahin werde ich eine annehmbare Vorstellung entwickeln, wie wir unseren Plan am besten in die Tat umsetzen.« Amelia warf ihm einen Blick zu. Er bestätigte ihre Worte mit einem langsamen, wohlüberlegten Nicken.
» Haben Sie darüber nachgedacht, was geschieht, wenn Ihr Vater Ihnen für den Fall unserer Heirat die Mitgift verweigert?« Die Frage kam ihm recht unbekümmert über die Lippen, wenn man bedachte, wie wichtig ihm die Antwort war.
» Die Schuld, die mein Vater bereits durch sein Verhalten mir gegenüber auf sich geladen hat, wird es ihm nicht erlauben, sein einziges Kind einem Leben in Kreisen des verarmten Adels zu überlassen, wie er Situationen wie die Ihre zu nennen pflegt«, sagte sie.
Ihre Worte schienen den Baron zu reizen, denn er gab einen Laut des Unmuts von sich. Amelia nahm an, dass er über seine misslichen Lebensumstände nicht zu sprechen wünschte. Vermutlich war es ihm peinlich. Denn, um aufrichtig zu sein, welcher Mann mit einem ausreichenden Selbstwertgefühl würde es akzeptieren, wenn die öffentliche Meinung ihn hinter vorgehaltener Hand als nicht standesgemäß deklarierte?
Wenn ein Gentleman nicht in der Lage war, Frau und Kinder in einer Weise zu versorgen, wie sie einem Mitglied der privilegierten Aristokratie angemessen war, dann galt er als Mann von geringem Wert. Wer sich in dieser wenig beneidenswerten Lage befand, konnte nur auf eine vorteilhafte Heirat hoffen, und
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