Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lelord, Francois

Lelord, Francois

Titel: Lelord, Francois Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hector
Vom Netzwerk:
schüttete, es prasselte auf sie nieder. Die Regenzeit war da.
    Unter
dieser gigantischen Dusche mussten alle lachen, Brice und Valerie drehten sich
zu ihm um, weil sie ihre Freude mit ihm teilen wollten, und selbst die Lady
schien entzückt zu sein und Maria-Lucia sowieso. Hector spürte, wie dieses Abenteuer
eine Bindung zwischen ihnen allen schuf, die genauso stark war, als wenn sie viele
Stunden miteinander nur geredet hätten.
     
    Beobachtung
Nr. 15: Es ist gut für die Freundschaft, wenn man gemeinsam Abenteuer erlebt.
     
    Natürlich
konnte auch das Gegenteil passieren, aber trotzdem ...
     
    Hector betreibt vergleichende Ethnologie
     
    Es war ein
Schock für Hector, als er ein Standbild von Edouard entdeckte.
    Sie waren
den dritten Tag unterwegs und in einem solchen Zustand von Schlafmangel und
Erschöpfung, dass er zunächst an eine Halluzination glaubte. Aber nein, dort
stand es am Fuße einer riesigen Banyan-Feige. Was man von Weitem für einen
Klotz aus rohem Holz hätte halten können, entpuppte sich eindeutig als
Darstellung seines Freundes im groben und beinahe geometrischen Stil der Varak-Lao-Kunst.
Um noch den letzten Zweifel zu zerstreuen, hatte der Künstler für die Augen
zwei blaue Steine eingesetzt.
    Valerie
machte ihm ein Zeichen; auch sie hatte Edouard erkannt. Der Elefant schritt
weiter voran, aber Hector hatte noch gesehen, dass sein Freund wie ein Buddha
in der Abhaya-Mudra-Haltung dargestellt war. Die rechte Hand war bis in Schulterhöhe
erhoben, der Handteller zeigte nach vorn - eine Geste, die Schutz ausdrückte
und Befreiung von der Angst.
    Das Dorf
erreichten sie kurz vor Sonnenuntergang. Die Unterschiede zwischen den
Behausungen der K'rarang und der Varak Lao sprangen einem sofort ins Auge: Hier
waren die Häuser aus geflochtenem Bambus, an den Eckpfeilern hatte man Amulette
befestigt, und ein bisschen abseits lag ein langes Haus, das von einer Reihe
reich geschnitzter Baumstämme umgeben war. Mehrere dieser Skulpturen stellten
Männer mit Erektionen dar, andere zeigten Frauen, deren Geschlecht fast ebenso
deutlich herausgearbeitet war.
    Und anders
als die K'rarang lächelten die Dorfbewohner den Neuankömmlingen nicht zu. Männer,
Frauen und Kinder standen stocksteif da, was jede Freundschaftsbekundung unmöglich
machte. Ihre Haut war heller als die der K'rarang, ihre Augen waren ein wenig
mehr geschlitzt, und vor allem hatte ihr Blick nicht jene freundschaftliche
Wärme, der Hector jetzt schon nachzutrauern begann.
    Die
Elefanten blieben vor einem Haus stehen, das ebenfalls ein wenig länger war als
die übrigen; es war mit Büffelhörnern geschmückt, oder eigentlich waren es
Hörner des Gaur, der wilden Version des Büffels. Die Elefantenführer forderten
ihre Tiere mit gutturalen Lauten auf, sich hinzuknien. Hector und seine Freunde
setzten den Fuß auf die Erde und fühlten sich sofort wie Eindringlinge: Hinter
ihnen erhob sich die raue und bewegliche Mauer der Elefanten, und vor ihnen
stand im Halbkreis die Dorfbevölkerung und starrte die Fremden ohne ein Lächeln
und ohne einen Gruß an.
    Hector
erkannte die Kleidung der jungen Frauen und Männer von Edouards Foto wieder,
und selbst einige der Gesichter kamen ihm vertraut vor. Aber wo war der -
zumindest spirituelle - Herr des Ortes? Wenn Edouard sie hatte herkommen lassen,
warum zeigte er sich dann nicht, um sie zu empfangen?
    Hector
bemerkte, dass sich alle Blicke auf Valerie richteten, die mit ihren blauen
Augen und ihren blonden Haaren womöglich so wirkte, als würde sie demselben
Geschlecht entstammen wie Edouard.
    Zwei junge
Frauen, die offenbar weniger zurückhaltend waren als die Übrigen, näherten sich
mit stolz emporgerecktem Kinn, um die Fremden besser mustern zu können.
    Brice
tat ein paar Schritte auf sie zu: »My name is Brice, what is your name? Why are you so beautiful? '« Und dann sagte er es noch einmal auf Thai und setzte eine entzückte
und bewundernde Miene auf.
    Die beiden
Frauen brachen in Gelächter aus, und bald mussten alle Frauen lachen. Sie
sprachen weder Englisch noch Thai, aber Brice gelang es selbst in einer
unverständlichen Sprache, die Frauen zum Lachen zu bringen. Hector fiel allerdings
auf, dass die Männer nicht erheitert wirkten - ganz im Gegenteil.
    Aber da
begann Valerie schon, ihr Varak Lao auszuprobieren und mit den Dorfbewohnern
zu sprechen.
    Das Lachen
der jungen Frauen brach ab, und auf allen Gesichtern machte sich sprachlose
Verblüffung breit. Die Führer hatten noch keine

Weitere Kostenlose Bücher