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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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wie eine Siegeshymne ins Telefon.
    Diese Eigenmächtigkeit ihrer Miss Marple ging Irma über die Hutschnur. Sie brüllte fast, als sie Helene zu verstehen gab, dass sie sich nicht in ihre höchst privaten Angelegenheiten einmischen sollte.
    »Dann hättest du mich nicht so ausführlich in deine höchst privaten Angelegenheiten einweihen dürfen, wenn sie dir heilig sind«, sagte Helene trocken.
    »Okay«, sagte Irma. »Worüber habt ihr gesprochen? Über mich? Über Mamas Kleptomanie? Oder hast du ihn womöglich gebeten, mir die Zurückzahlung seines Vermögens zu erlassen?«
    »Nix Vermögen«, frohlockte Helene. »Deine Mama hat ihm nur 200 Euro geklaut.«
    »Die kann ich ihm sofort überweisen. So flüssig bin ich allemal.«
    Helene legte eine Redepause ein. Sie wusste, dass Irma mehr von dem Gespräch mit Herrn Jansen wissen wollte, ließ sie aber zappeln.
    Sie wartete ab, bis Irma fragte: »War er nicht irritiert, dass du anrufst und nicht ich oder Mama selbst?«
    »Ich hab gesagt, ich sei die beste Freundin deiner Mutter. Sie habe mir von ihrer Verfehlung erzählt und sei völlig geknickt.«
    »Und? War er wütend? Was hat er gesagt? Spann mich nicht so blödsinnig auf die Folter, Helene!«
    »Er hat niemandem außer sich selbst Vorwürfe gemacht«, sagte Helene. »Deswegen hab ich das Thema Kleptomanie, mit dem ich die Missetat deiner Mama, meiner angeblich besten Freundin Helga, erklären wollte, ausgespart. Ich hab Herrn Jansen nur erklärt, dass Helga schon immer sehr spontan gewesen ist und eine ausgeprägte Neigung zu unüberlegtem Handeln hat.«
    »Gut!«, sagte Irma. »Hat er sich darauf eingelassen, dass ich das geklaute Geld zurückerstatte?«
    »Ich hab gesagt, dass du das vorhast.«
    »Und?«
    »Es schien ihm peinlich zu sein, er sagte, diese 200 Euro seien wirklich nicht der Rede wert.« Helene hauchte in den Hörer: »Er ist ein Gentleman.«
    »Ja«, sagte Irma. »Scheint mir auch so. Aber deswegen will ich trotzdem Mamas Schulden bei ihm begleichen.«
    »Das würde ihn beleidigen«, sagte Helene. »Er war ja richtiggehend zerknirscht, weil er deine Mutter ins Casino eingeführt hat. Weißt du, was er wörtlich gesagt hat?«
    »Nee«, sagte Irma. »Woher sollte ich das wissen? Miss Marple hat ja telefoniert und nicht ich.«
    Wahrscheinlich, um nun alles hintereinander loszuwerden, holte Helene hörbar Luft. »Er hat gesagt: Bei dem Temperament und der Begeisterungsfähigkeit dieser Frau könneso etwas passieren. Und dann hat er noch ein grundsätzliches Bekenntnis abgelegt: Helga hätte ihn mit ihrer herzerfrischenden Lebenslust angesteckt. Seit er sie kenne, fühle er sich zehn Jahre jünger und er sei verliebt in sie.«
    »Hmm«, machte Irma. »Den hat’s erwischt! Mama hat sein altes Herz noch mal jung gemacht!«
    »Genau!«, pflichtete Helene bei. »Aber er sagte auch, seine Enttäuschung sei das unüberwindliche Hindernis gewesen, weswegen er Helga nicht sofort verzeihen konnte. In dem Moment, als er sie rausgeschmissen hat, sei er quasi unzurechnungsfähig gewesen. Eine völlig überzogene Reaktion seinerseits.« Helene seufzte gerührt. »Alles wird gut.«
    »Du meinst, er hat vor, meiner Mutter die Sache nicht nachzutragen und sie in Gnaden wieder anzunehmen?«
    »Aber sicher«, sagte Helene im Brustton der Überzeugung. »Er liebt sie doch! Er gibt sich selbst die Schuld an dem Casino-Dilemma. Er beteuerte, er hätte daran denken müssen, wie leicht man diesem Glücksspiel verfallen könne.«
    »Dann ist es ja gut, dass Mam nicht noch mehr Zeit in Baden-Baden verbracht hat«, sagte Irma sarkastisch. »Wer weiß, was sie noch angestellt hätte! – Und was hat Herr Jansen sonst noch gesagt?«
    »Wir haben dann über Dostojewski geplaudert. Herr Jansen hat mich gefragt, ob ich den
Spieler
gelesen hätte und wir haben uns eine Zeitlang über russische Schriftsteller unterhalten. Er findet sie genauso fantastisch wie ich. Herr Jansen ist wirklich ein feiner und gebildeter Mensch!«
    Irma sagte: »Na, pass auf, dass du dich nicht auch noch in ihn verliebst!«
    Helene kicherte. Dann seufzte sie.
    »Jedenfalls soll ich dir ausrichten, Irma, du sollst deiner Mutter sagen, dass er ihr verziehen hat und sich bei ihr meldet, sobald er wieder in Hamburg ist. Er reist morgen zurück. Ohne Helga sei Baden-Baden langweilig.«
    Irma sagte brummig, aber doch mit Erleichterung in der Stimme: »Verdient hat sie das nicht.«
    Helene hauchte ergriffen: »Lovestory mit Happy End.«

Achtzehn
Donnerstag, 15.

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