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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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Sie dachte an Patachons gedrungene Gestalt und sein Mondgesicht und daran, dass er eigentlich auch zu den Betrogenen gehörte, vermutlich aber selbst ein Betrüger war. Letzeres war logischer, da Vladimir, nachdem er gemerkt hatte, dass seine angebetete Brünnhilde von der Polizei gesucht wurde, sang- und klanglos aus dem Hotel verschwunden war. Verschwunden, ohne seine Rechnungen bezahlt zu haben.
    Um diese Angelegenheit musste sich die spanische Polizei kümmern. Irma hatte Vladimir bereits ausgeblendet gehabt, da genug andere Probleme zu bewältigen gewesen waren. Aus diesem Grund hatte sie ihren Arbeitskollegen nichts davon erzählt.
    Schmoll schien die Sache mit dem Russen kaltzulassen, aber Katz fixierte Frau Kurtz und platzte raus: »Heidenei! Fier a russischer Graf habe Sie sich so schee gmacht, dass Frau Eichhorn sie fast net erkannt hätt?«
    Frau Kurtz nahm Haltung an und sagte hoheitsvoll: »Man muss was für sich tun, wenn man begehrt werden will.«
    Irma feixte wieder und dachte: Diese Lebensweisheit haben ihr die Kosmetikerinnen in den Schönheitsstudios beigebracht.
    »Jetzetle«, sagte Schmoll. »Schluss mit dem Blödsinn.«
    »Ich muss zur Toilette«, sagte Frau Kurtz und schraubte sich in ihrer ganzen Länge hoch.
    Als zwei Polizistinnen sie hinausgeführt hatten, erwarteten Katz und Irma, Schmoll würde nun losdonnern und seinem Ärger Luft machen. Aber er blieb ruhig sitzen und begann, den Radetzkymarsch auf die Tischplatte zu trommeln. Erstaunlicherweise in gemäßigtem Tempo: Andante bis Largo. Sein Nachdenktempo nannte Irma das.
    Schmoll wurde beim Nachdenken gestört. Stöckle verlangte, nun endlich auf das Thema Bankraub zu wechseln.
    »Lieber Kollege Stöckle«, sagte Schmoll gereizt. »An den Bankraub haben sich derartig viele andere Verbrechen geklebt, dass ich diesen Fall von hinten aufrollen muss. Sonst sehe ich schwarz, dieser Frau ein Geständnis abringen zu können. Gedulde dich bitte.«
    Katz mischte sich ein und bemerkte: »Se müsset doch zugebe, dass an Bankraub gege an Mord a Muggeschiss isch.«
    Schmoll nickte. »Zu dem Bankraub sind inzwischen eine brutale Geiselnahme und gefährliche Attacken auf Kollegin Eichhorn und Leo Kowalzki gekommen. Und mit größter Wahrscheinlichkeit hängt auch der Kotzenloch-Mord damit zusammen.«
    Stöckles Adamsapfel schoss erregt auf und ab. »Aber angefangen hat es mit dem Bankraub«, sagte er störrisch.
    »Natürlich sind alle diese Straftaten eine Folge davon«, gab Schmoll zu. »Aber zuerst müssen wir genau wissen, ob der Mord an Erik Raabe auf das Konto von Frau Kurtz geht. Wir sind noch ganz am Anfang. Wart’s doch mal ab.«
    Brummend vertiefte sich Stöckle in die Protokolle, die er anscheinend nicht sehr genau gelesen hatte. Schmoll trommelte die zweite Strophe des Radetzkymarschs auf den Tisch.
    Brünnhilde Kurtz kam zurück. Sie ließ sich mit Leidensmiene auf ihren Stuhl fallen und sagte, sie sei derart müde und fertig, dass sie dem Verhör heute nicht mehr folgen könne.
    Schmoll, dem Irma ansah, dass er auch keine Lust mehr hatte, sagte zu Frau Kurtz: »Dann dürfen Sie heute bei uns in vorläufigem Gewahrsam übernachten, und wir machen morgen weiter.«
    »Schon wieder in eine Zelle! Das hat mir wirklich in Palma schon gereicht!«, schrie Frau Kurtz erregt. »Wie lange wollen Sie mich noch festhalten und mit Fragen löchern?«
    »Sie haben morgen noch Gelegenheit, sich vor der Staatsanwaltschaft zu den Tatvorwürfen zu äußern. Wenn Sie den Anwalt nicht von Ihrer Unschuld überzeugen können, werden Sie dem Haftrichter vorgeführt.«
    Frau Kurtz schien zu schrumpfen, aber nur unwesentlich. Sie holte tief Luft und fragte: »Wieso Haftrichter?«
    »Er entscheidet, ob Sie nach Hause gehen dürfen oder in Untersuchungshaft geschickt werden.«
    »Nach Stammheim?« Frau Kurtz schien nochmals ein wenig an Größe zu verlieren.
    Katz, der hinter ihr an der Wand lehnte, räusperte sich und meldete: »Net nach Stammhoim. Damen kommet nach Schwäbisch Gmünd ins Frauegfängnis. Des isch scho äußerlich netter als der Hochsicherheitsbunker in Stammhoim.«
    Schmoll nahm den Faden auf, weil er auf etwas Bestimmtes hinauswollte: »Das Gebäude, in dem sich in Schwäbisch Gmünd die Justizvollzugsanstalt befindet, ist das ehemalige Dominikanerinnenkloster Gotteszell. Der Bau steht unter Denkmalschutz wie zum Beispiel auch das Kotzenloch am Lemberg.«
    War Frau Kurtz bei der Erwähnung des Kotzenlochs bleicher geworden? Jedenfalls nicht

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