Lemberger Leiche
solltest wirklich auf etwas bessere Vorratswirtschaft achten.«
»Stimmt, damit konnte kein Mensch drei Tage über die Runden kommen.«
»In deiner Küchenschublade lagen 20 Euro. Die hab ich mir genommen. Du bekommst sie natürlich wieder, wenn ich meine nächste Rente auf dem Konto hab.«
»Oh je«, sagte Irma abwesend. »Für 20 Euro kann man nicht viel zu essen kaufen.«
»Doch, doch. Es hat gereicht.«
Mama sagte nicht, dass sie Kohldampf geschoben hatte. Sie bereute ihren letzten Diebstahl aus Kai-Friedrichs Brieftasche und hatte sich seither verboten, irgendwo etwas zu stibitzen. Es war ihr schwergefallen, zu Fuß zu gehen und nicht schwarz mit der Straßenbahn zu fahren.
Mama lehnte sich zurück und sagte: »Wie du siehst, bin ich nicht verhungert. Holst du morgen früh Brötchen und bringst mir eine Laugenbrezel mit?«
»Okay.«
Mama klatschte freudig in die Hände. »Und gehen wir morgen Mittag im Killesbergpark in die
Schwäbische Weinstube
Maultaschen essen?«
»Hast du vergessen, dass ich arbeiten muss? Schmoll wird genauen Bericht verlangen, wie das in Mallorca gelaufen ist. Du musst allein in die
Schwäbische Weinstube
gehen. Du kennst ja den Weg, Mam.« Und auf den fragenden Mutterblick: »Ich lasse dir Geld da.«
»Wieso legst du deinen Schal nicht ab, mein Kind? Es ist doch warm hier.«
»Ich friere aber.«
Siebzehn
Dienstag, 13. Juli
Irma hatte den Wecker auf halb sieben Uhr gestellt, sonst hätte sie garantiert bis Mittag durchgeschlafen. Der kleine Frühsport mit dem Fahrrad zum Bäcker, um die von Mama gewünschten Laugenbrezeln zu holen, machte sie halbwegs munter.
Allerdings zog sich das Frühstück in die Länge, da Mama beim Gutenmorgenkuss die blutunterlaufenen Druckstellen an Irmas Hals entdeckt hatte und nun einen Fragenkatalog an ihre Tochter abarbeitete. Sie schien das Thema Baden-Baden schlagartig vergessen zu haben und wollte genau wissen, was auf Mallorca passiert war. Ihre Neugier wuchs, je weniger Irma über ihre Ermittlungen auf der Insel preisgab. Als das Frühstück endlich beendet war, wurde es für Irma höchste Zeit, sich auf den Weg ins Präsidium zu machen.
Sie kam mit leichter Verspätung an, und es tat ihr gut, wie herzlich sie von Schmoll und Katz empfangen wurde. Da der Tag wieder heiß zu werden versprach, hatte sie darauf verzichtet, ihren Hals unter einem Schal zu verstecken. Wie sie befürchtet hatte, wurden die Würgemale sofort von ihren Kollegen wahrgenommen. Der Ursprung dieser Blessuren wurde heftig durchdiskutiert, bevor die Ereignisse der Reihe nach zur Sprache kamen.
Da Schmoll und Katz die Ermittlungsprotokolle, die Irma jeden Tag gefaxt hatte, genau studiert hatten, waren sie über alles im Bilde. Zuletzt hatte Irma kurz und bündig, ohne sich bei Details aufzuhalten, Lines Befreiung gemeldet.
Nun schilderte sie den genauen Verlauf dieser gefährlichen Aktion. Sie erwartete Schmolls Vorwürfe und war erleichtert, als sie ausblieben. Sie blieben aus, weil er sich selbst Vorwürfe machte, seine junge Kollegin allein in die »Höhle der Löwin« geschickt zu haben. Dass Brünnhilde Kurtz gefährlichwar, hätte er früher durchschauen müssen. Irmas Hartnäckigkeit, mit der sie ihre These mit den Schwestern vertreten hatte, hatte ihn irritiert. Aber seit auf Mallorca der Brief Eriks an seine Freundin Bonnie gefunden worden war, lag das Motiv für den Bankraub und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für den Mord an Erik Raabe auf der Hand. Brünnhilde Kurtz hatte den Brief abgefangen und geöffnet – und hatte dadurch von Eriks Betrugsabsicht erfahren. Daraufhin hatte sie offensichtlich den Spieß umgedreht und Erik musste dafür büßen.
»Sodele«, sagte Schmoll, nachdem Irma mit ihrem Bericht zu Ende war. »Der Fall ist so gut wie gelöst. Wir brauchen nur noch das Geständnis.« Seine Fingerspitzen trommelten hastig und ohne jeden Rhythmus auf dem Aktenstapel. Er gab ein ungeduldiges Brummen von sich. »Leider fehlt uns aber diejenige, der wir das Geständnis entlocken müssen. Vorerst können wir nichts tun, als auf den Bescheid aus Palma zu warten, wann die liebenswürdige Dame ausgeliefert wird.«
Am frühen Nachmittag, nachdem sie alle Protokolle in den PC eingegeben hatte, rückte Irma mit der Frage heraus, ob sie nach Hause gehen dürfe, weil ihre Mutter zu Besuch sei.
»Aber natürlich, hast ja einige Nachtschichten schieben müssen«, sagte Schmoll großmütig. »Das wusste ich doch gar nicht, dass die Frau Mama hier ausgeharrt
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