Lemberger Leiche
Kleiber schrieb zähneknirschend Frau Kurtz’ Handynummer und die Urlaubsadresse auf und versicherte, die Chefin würde jedes Jahr nach Sylt fahren, deswegen ginge er davon aus, dass das auch dieses Jahr so sei, obwohl sie es nicht ausdrücklich erwähnt habe.
Nachdem Irma das Foto von der Wand genommen hatte, wollte Kleiber sich verabschieden. Aber Irma hatte noch etwas im Schalterraum zu erledigen. Dort fragte sie nacheinander Frau Schick, das Maierchen und dann auch Herrn Kleiber, ob Frau Kurtz eine jüngere Schwester habe. Die Antwort war kollektives Achselzucken und Kopfschütteln. Alle drei beteuerten, davon hätten sie nie gehört. Allerdings spräche Frau Kurtz niemals über ihr Privatleben.
»Noch eine Frage zum Schluss«, sagte Irma. »Hat Polizeimeister Rettich den Film aus der Überwachungskamera mitgenommen?«
»Der Film war weg«, sagte Herr Kleiber. »Und die Alarmanlage war ausgeschaltet. Diese Banditen waren eben Profis!«
Als Irma die Bank verließ, brütete die Sonne hinter Wolkenschleiern und heizte niederträchtig eifrig die Stadt auf. Irma schob ihr Fahrrad in den Schatten einer Platane und führte ein Handygespräch mit der Pension in Westerland, in der Frau Kurtz angeblich Urlaub machte. Danach rief sie beim Stuttgarter Flughafen an.
Als das erledigt war, beeilte sie sich, ins Präsidium zu kommen. Um nicht durch die Mittagshitze radeln zu müssen, gönnte sie sich und ihrem Fahrrad eine kurze Fahrt in der klimatisierten Straßenbahn und stand zwanzig Minuten später in Schmolls Büro. Dort erfuhr sie, dass Vater und Tochter Fröhlich pünktlich zum Zeugenverhör erschienen waren, aber schon wieder entlassen werden mussten. Schmoll gab brummig zu, auf der Spur Fröhlich nicht weitergekommen zu sein.
Er berichtete, Herr Fröhlich hätte die Prozeduren beim Erkennungsdienst mit Murren hinter sich gebracht, aber Ariadne hätte die Sache als Gaudi aufgefasst.
»Zuerst hat sie behauptet, in diesem kahlen Raum mit dem grellen Licht käme sie sich wie beim Zahnarzt vor. Und als sie die Handfläche auf die rotleuchtende Fläche des Scan-Gerätes legen sollte, hat sie gekreischt, als würde sie sich die Finger verbrennen.«
Irma grinste, weil sie sich Ariadne bei diesem Schabernack gut vorstellen konnte.
»Darüber brauchst du nicht zu grinsen«, sagte Schmoll. »Beim Ablichten hat sich das kleine Luder dann benommen wie ein Möchtegern-Filmsternchen. Porträt, Profil und Halbprofil musste je dreimal gemacht werden, weil sie sich über die Ansage: ›Bitte nicht lächeln‹ kaputtlachen wollte.«
Irma musste nun selbst losprusten, was Schmolls Laune nicht gerade hob.
Auf ihre Frage, ob die Verhöre von Vater und Tochter Fröhlich wenigstens Neuigkeiten gebracht hätten, knurrte Schmoll: »Schade um die Zeit. Fröhlich hat fast haarklein erzählt, was wir schon gestern am Feuerbacher Bahnhof von ihm gehört haben.«
»Und was hat Ariadne zu sagen gehabt?«
»Die hat sich zuerst geziert, aber dann des Langen und Breiten über den Streit mit Fabian berichtet. Anschließend hat sie, als hätte jemand sie danach gefragt, ihre Begeisterung über die Tore der deutschen Fußballmannschaft herausgesprudelt.Und genau beim vierten Tor …«, Schmoll schlug vier Mal mit der Faust auf den Tisch, »kam die Nachricht vom kriminaltechnischen Labor, dass die Fingerabdrücke von Vater und Tochter mit keinem der in der Bankfiliale sichergestellten identisch sind. Auch in der Datenbank hat man nichts gefunden. Mir blieb nichts weiter übrig, als die Fröhlichs zu entlassen.«
Irma hoffte, Schmolls Stinklaune mit den Hinweisen auf neue Verdächtige besänftigen zu können. Während sie die Befragung der Bankangestellten schilderte und ausführlich auf das Verhalten des Stellvertreters Herrn Kleiber einging, unterbrach Schmoll ihren Redefluss.
»Jetzetle mal langsam. Warum kümmerst du dich um den Bankraub? Kannst du nicht endlich kapieren, dass das nicht unser Problem ist?«
Irma schnappte nach Luft und fauchte: »Lass mich gefälligst ausreden! Es geht auch um Erich Engelhard, der wahrscheinlich wegen des Bankraubs sterben musste.«
Schmolls Finger klopften seinen Lieblingsmarsch auf die Tischplatte. Er pochte ungeduldig und ziemlich taktlos. »Also, da komm ich jetzt nicht mehr mit. Aber wenn du’s für so wichtig hältst und da die Sache bisher nicht vor und nicht zurück geht, dann hol mal am besten den Stöckle her, damit wir den Stand unserer Ermittlungsarbeiten austauschen können. – Und schau
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