Lemberger Leiche
auch nach, wo Katz bleibt. Er hat sich vermutlich bei den Spusis festgequatscht – da ist ’ne Neue: jung, blond und füllig.«
»Unser Katz fährt nur noch auf seine Ina ab«, stellte Irma klar.
Aber Schmoll hörte nicht mehr zu und begann jetzt mit seinen Kniebeugen, von denen er behauptete, sie seien denkfördernd. Er zählte. Bei drei hielt er inne. »Kannste zwischendurch noch Kaffee machen, Eichhörnle?«
»Zu Befehl«, sagte Irma und dachte, dass es leichtsinnig von ihr gewesen war, sich irgendwann freiwillig für diese Daueraufgabe gemeldet zu haben.
Schmoll keuchte: »Vier – fünf – sechs …«
Als Irma die Kollegen zusammengetrommelt und vor jeden einen dampfenden Kaffeebecher gestellt hatte, berichtete sie noch einmal von ihrem Besuch in der Bank, legte das Jubiläumsfoto auf den Tisch und zeigte auf Frau Kurtz.
»Das ist die Filialleiterin. Diese Frau hab ich am vergangenen Sonntag, an dem der inzwischen verstorbene Herr Engelhard verletzt aufgefunden wurde, mit ihrer Schwester beim Weinblütenfest auf dem Lemberg kennengelernt.«
»Warum sollen eine Bankangestellte und ihre Schwester nicht zum Weinblütenfest gehen?«, fragte Schmoll gereizt.
»Dagegen will ich ja nichts sagen. Aber sie hat behauptet, sie seien von Zuffenhausen gekommen, obwohl sie, wie ich inzwischen weiß, in Feuerbach wohnt. Ich glaube eher, sie sind mit dem Shuttlebus vom Feuerbacher Rathaus zum Lemberg heraufgefahren. Warum diese Lüge? Und warum haben sie sich klammheimlich verdrückt, nachdem Helene ausgeplaudert hat, dass ich bei der Kripo bin?«
Da Schmoll nun seine Stirn und einen Teil der Glatze in Wellblechfalten legte, wusste Irma, dass seine kleinen grauen Zellen auf Hochtouren arbeiteten. Aber schon nach ein paar Sekunden glättete sich das Wellblech und seine Faust sauste auf den Tisch. Sein Blick, den er auf Irma warf, war halb missmutig, halb spöttisch.
»Und nun glaubst du, die zwei Damen, Filialleiterin Kurtz und ihre Schwester, haben gemeinsam mit dem stellvertretenden Filialleiter Kleiber die Bank ausgeräumt und sind dann husch, husch auf den Lemberg gekraxelt oder gefahren. Dort haben sie sich unters Volk gemischt, um ein Alibi weit weg vom Tatort vorweisen zu können.«
Katz zupfte mit einer Hand an seinem Lippenbärtchen herum und striegelte mit der anderen seine Napoleon-Fransen in die Stirn. Er fragte Irma, warum sie, als sie in der Bank gewesen war, dieser Filialleiterin nicht gleich mal auf den Zahn gefühlt habe.
»Weil sie nicht da war! Sie ist sofort, nachdem der Bankraub entdeckt worden ist, in den Urlaub abgedüst. Nach Angaben ihrer Arbeitskollegen ist sie an die Nordsee gefahren. Aber das stimmt nicht.« Irma legte den Kopf in den Nacken und reckte das Kinn hoch. Die goldenen Pünktchen in ihren grünen Augen blitzten. »Ich habe bereits die verlässliche Information von TUI: Frau Brünnhilde Kurtz ist am Dienstag, den 29. Juni, mit der ersten Maschine nach Palma de Mallorca geflogen.« Irma lächelte verbindlich in die Runde. »Es war ein Ermittlungsglückstreffer: Gleich beim zweiten Versuch hatte ich die richtige Fluggesellschaft erwischt.«
»Und wo ist die kleine Schwester abgeblieben?«
»Das wüsste ich auch gern.«
»Vielleicht sind die holden Schwestern gemeinsam nach Mallorca geflogen«, überlegte Schmoll.
Irma zog die Schultern hoch und dazu eine Grimasse. »Es hat nur eine Passagierin namens Kurtz eingecheckt. Wahrscheinlich heißt die Schwester anders.«
Katz sagte: »Heiligs Blechle.«
Schmoll sagte: »Jetzetle.«
Beide wirkten ratlos. Irma ärgerte sich über die skeptischen Gesichter ihrer Kollegen, und weil sie sonst nichts hatte, woran sie ihre Wut auslassen konnte, zerrte sie am Gummiband ihres Pferdeschwanzes. Das Band platzte gleichzeitig mit Irmas Geduld.
Während ihr die Mähne aus rotbraunem Gekräusel über die Schultern und ins Gesicht fiel, fauchte sie los wie eine gereizte Katze.
»Diese Brünnhilde Kurtz sollten wir unter die Lupe nehmen! Du hast es doch schon auf den Punkt gebracht, Schmoll: Es wäre möglich, dass sie ihre Bank selbst ausgeraubt hat. Vielleicht sind sie und ihr Stellvertreter Komplizen.«
»Ich hab das nicht auf den Punkt gebracht, sondern gefragt, ob du das ernst meinst«, sagte Schmoll genervt. »Deine Fantasie geht mit dir durch!«
Kommissar Stöckle vom Raubdezernat, der mit halb geöffnetem Mund zugehört hatte, versicherte nun, es sei sehr, sehr, sehr selten, aber jedenfalls schon vorgekommen, dass das Personal die
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