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Lemmings Himmelfahrt

Lemmings Himmelfahrt

Titel: Lemmings Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Jahren in den Polizeidienst getreten ist, der Rest hat sich von ihm abgewandt, als ihn die Exekutive wieder davongejagt hat. Der einzige Vertraute, der ihm bleibt, ist Huber, ebenfalls ein junger Kriminalbeamter, den der Lemming erst vor einem Jahr kennen gelernt hat. Huber hat damals mit Krotznig gearbeitet; er ist nach der Entlassung des Lemming in dessen Fußstapfen getreten. Kein Wunder, dass Huber inzwischen selbst das Handtuch geworfen hat, um das Geschirrtuch in die Hand zu nehmen. Er ist mit seiner Freundin nach Triest ausgewandert, wo die beiden ein Restaurant betreiben. Im Übrigen wäre es bei aller Freundschaft fraglich, ob Huber, der bisweilen mit einem übertriebenen Hang zur Korrektheit ausgestattet ist, einem flüchtigen Mordverdächtigen Unterschlupf gewähren würde.
    Die
Meldemannstraße
fällt dem Lemming ein, das berühmte Obdachlosenasyl im zwanzigsten Bezirk. Vor fast einem Jahrhundert erbaut, ist es wenig später einem ganz berühmten Österreicher zur jahrelangen Schlafstätte geworden: dem untalentierten Postkartenmaler und umso begabteren Meisterdes Genozids, Adolf Hitler. Seitdem hat das Männerwohnheim keine Prominenten mehr hervorgebracht, und auch der Lemming hat nicht vor, einer zu werden. Im Aufenthaltsraum der
Meldemannstraße
gibt es einen Fernsehapparat, das weiß er von früheren Ermittlungen. Er hat keine Lust, sich einer Horde betrunkener Vagabunden auszusetzen, die sein Phantombild, womöglich sein Fahndungsfoto in den Abendnachrichten sehen und sich ein Kopfgeld für seinen mit Krücken, Fäusten und Bierflaschen mürbe geprügelten Schädel erhoffen würden.
    Auch ein Hotel aufzusuchen erscheint ihm zu gefährlich, abgesehen davon, dass er nun Geld sparen muss: Über Kreditkarten verfügt er nicht, und sein Bankkonto liegt in den letzten Zügen. Er hat selten mehr als zwei, drei Hunderter eingesteckt; wenn er nun die nächtliche Taxifahrt und die milde Gabe in der U-Bahn -Passage davon abzieht   …
    Der Lemming nimmt sein Portemonnaie heraus und klappt es auf. Er sieht nichts, was ihn erstaunt, nichts, was ihn verwirrt. Er sieht nichts. Gar nichts. Gähnende Leere.
    «War’s recht so?» Mit dem tief verwurzelten Spürsinn aller emsigen Kleinunternehmer tritt die Wirtin an den Tisch und versucht, einen Blick in den Geldbeutel zu erhaschen.
    «Ja, ja   … Danke, aber   … Eine Melange noch, bitte   …»
    Bei der Alten Schulden zu machen ist sicher ein Ding der Unmöglichkeit, denkt der Lemming. Wenn die schon je etwas anschreibt, dann höchstens diverse Beschwerdestellen, das imaginäre Salzamt vielleicht, an das alle notorischen Wiener Nörgler verwiesen werden. Nein, kein Kredit; er wird die Zeche prellen müssen. Plötzlich fällt ihm ein, dass er das, unter anderen, wenn auch nicht weniger widrigen Umständen, schon heute früh im
Dreher
getan hat.
    «Auch schon egal», murmelt der Lemming, «alles egal   …» Was er jetzt braucht, ist eine Idee. Und noch eine Melange.
    Hinter der Theke läutet ein Telefon. «Ja   … Na, hab i net. Nur Radio   … Na geh   … Ehrlich? Mitten in   … Na geh   … Und wer   … Ah so   … Ja, na, du, i hab a Kundschaft   … ja, nachher dann   … pfiat di   …» Die Wirtin legt den Hörer auf.
    «Mitten in Kopf haben s’ ihm g’schossen, haben s’ grad g’sagt, in Fernsehen!» Wieder schiebt sie das Tablett vor seine Nase, und wieder wird die Geste von einem nicht enden wollenden Wortschwall begleitet.
    «So a Jammer, ganz jung soll er g’wesen sein, ganz a junger Mann noch, und dann einfach so in Kopf g’schossen, am helllichten Tag, mitten auf der Straßen   … So was tut man doch net! Mein Gott, und dann die Eltern, die Eltern von den armen Hund, stelln S’ Ihner vor   … I sag’s Ihnen, und da bin i net die Einzige bei uns im Land: A starker Mann g’höret wieder her, so wie   … na Sie wissen scho. Damals hätt’s so was net gebn   …»
    «Ja, ja   … die gute alte Meldemannstraße   …»
    «Was sagen S’?»
    «Nein, nichts. Traurig, das Ganze   … Die Nachrichten   … Weiß man schon mehr?»
    «A geh, was sollen die scho wissen, die Krimineser? Des is doch a einziger Sauhaufen bitt schön, der Verein. Stecken alle unter einer Decken, liegen auf der faulen Haut und kassieren ihre vierzehn Monatsgehälter. Und alles von unsere Steuern. Na, na, die in Fernsehen haben nur g’sagt, dass s’ den Toten gleich weg’bracht haben, auf die Prost   … auf die Prosti   … na, zum

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