Lemmings Himmelfahrt

Lippen, so fährt er nun damit fort, den Raum zu inspizieren. Weit braucht er allerdings nicht mehr zu gehen   …
    Es hat wohl so kommen müssen. Der Erdstoß der vorletztenNacht ist nur ein geflüstertes Omen gewesen, eine winzige, lautlose Drohung. Jetzt erst hebt das richtige Beben an, ein Beben, das vom Bauch des Lemming aus durch seinen Körper rollt, ihn durchschüttelt, aufbricht und zerreißt. Wäre der Lemming die Welt, kein Gras würde mehr auf ihm wachsen.
    «Servus, Wallisch   …»
    Leuchtende Augen. Ein glückliches, beinahe herzliches Lächeln unter den glänzenden Schnurrbartspitzen. Mit ausgebreiteten Armen tritt Major Adolf Krotznig auf den Lemming zu.
    «So was von Zufall   … Is die Welt net klan? Kumm, gib dem Onkel ein Busserl   … Na kumm scho, brauchst net zittern, Burli: Der Onkel Adi beißt scho net   …»
    Sanft wird der Lemming aus seinem Versteck gezogen; fest schließt sich Krotznigs Klammergriff um seine Schultern.
    «Schau, Mausi, was i g’funden hab   …»
    «Zum letzten Mal, Herr Major   …»
    «Gusch!»
    Jetzt ist es so weit. Jetzt läuft er endlich zur gewohnten Form auf. Den Moment des Triumphes lässt er sich nicht versauen, der Herr Kommissar, da könnte sonst wer vor ihm stehen, und sei es Miss Marple persönlich.
    Es ist aber nicht Miss Marple. Später einmal, in dreißig Jahren frühestens, da wird sie der alten Detektivin vielleicht ähnlich sehen, die kleine athletische Frau, deren türkisgrüne Augen jetzt wütende Funken in Richtung Krotznig sprühen. Der grinst; es scheint ihm zu gefallen.
    «Na, was sagst, Lemming? A Prachtweib, des Fräulein Mausi, oder? Sie mag’s aber net, wenn ma s’ Mausi nennt; des derf nur ihr Chef, also i. Sag schön grüß Gott zum Fräulein   …»
    «Inspektor Wilma Pollak   …», fällt ihm die Frau jetzt ins Wort. «Man muss es dem Herrn Major nachsehen: Er hatbisweilen seine Schwierigkeiten mit komplexen Zusammenhängen   …»
    «Immer lustig, unser Mausi   … A bisserl a Mimoserl manchmal, aber ansonsten a Prachtweib. Die g’halt i mir, Lemming, die kummt mir nimmer aus, überhaupt, wo s’ no dazu des Fräulein Tochter von mein’ Hausherrn is   …»
    Da also liegt der Hund begraben. Jetzt versteht der Lemming, warum sich Krotznig so erstaunlich moderat verhält: Die junge Frau Inspektor ist wirklich etwas ganz Besonderes: Mit ihrer beruflichen Laufbahn steht und fällt Krotznigs befristete Miete im fünften Bezirk, seine Wohnung, die nicht nur hell und geräumig, sondern auch überaus günstig ist. Und von Krotznigs regelmäßigem Dienstrapport hängt wieder ihr Job ab, ihr Verbleib bei der Mordkommission. Sie sind aneinander geschmiedet, die beiden, zwei siamesische Krähen, die einander kein Auge aushacken   …
    «Und der da», wendet sich Krotznig nun an seine Partnerin, «is mei lieber alter Haberer Wallisch. A herzensguter Mensch, solang er kane anderen Leut abkragelt   … Wo ma grad dabei san, Lemming, ganz unter uns, von Hausmann zu Hausmann quasi: Wie hast den eigentlich so sauber hin’kriegt, den Faserschmeichler da? Weißer Riese? Oder Dixan? Des mit der neuen Flauschiflex-Formel?»
    Stärker wird jetzt Krotznigs Griff; er drückt den Lemming an sich wie einen lange vermissten Freund.
    «Ich war   …»
    «I war des net», beendet Krotznig den Satz. «I war des net», äfft er sich selbst noch einmal nach. «Weil i bin eigentlich gar net da   … in Wahrheit gibt’s mi gar net, i bin nur a Luftspiegelung, a Burli Morgana! I war auch net am Naschmarkt, nie im Leben, und scho gar net vorgestern   …»
    «Aber   …»
    Krotznigs dröhnendes Lachen erstickt den Protest des Lemmingim Keim. «Jetzt hamma’s g’schafft, Partner, gell? Jetzt hamma s’ endgültig erledigt, die Buchwieser-Brüder, gemeinsam hamma s’ ausradiert, die Lumpenbagage   … Brav, Burli   … Nur leider, leider net ganz legal   … Und jetzt sagst dem Onkel ganz g’schwind, wer die Leich’ da in der Maschin’ is   …»
    «Wenn ich den Herrn Major darauf hinweisen darf», mischt sich nun seine Kollegin wieder ein, «der Herr Major haben den Herrn Verdächtigen noch nicht auf seine Rechte   …»
    «Aber sicher doch! Eh klar! Die Rechte! Weißt was, Mausi, i mach des mit die Rechte, und du gehst derweil telefonieren. Und wen rufst an? Bingo: die Spurensicherung. Weil ohne Spurensicherung geht bei uns gar nix, des solltest scho langsam wissen   … Na, was is, Fräulein? Hopp, hopp   …»
    Noch macht die Frau