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Lemmings Himmelfahrt

Lemmings Himmelfahrt

Titel: Lemmings Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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fährt dem Lemming durchs Rückenmark bis in die Zehenspitzen. Zugleich ist es aber ein guter, ein seltsam befreiender Schmerz, ein Schmerz, nach dem nichts mehr als Ruhe kommt: jene Ruhe, die einkehrt, wenn die Milch endlich übergekocht, das Kabel endlich durchgeschmort, das Haus endlich eingestürzt ist. Lautlos öffnet sich nun eine Pforte tief im Bewusstsein des Lemming, ein dritter Weg, der bisher zwischen lähmender Angst und blinder Wut verborgen war: Es ist wohl der einzige Weg, denman sich nicht zu erkämpfen braucht, der Weg des Fatalismus, der vollkommenen Schicksalsergebenheit.
    «Drück ab», sagt der Lemming. «Komm schon, trau dich   … Drück ab   …»
    Jetzt ist auf einmal er es, der an Boden gewinnt, der sich Schritt für Schritt vorschiebt, die Mündung der Waffe zwischen den Augen. Krotznigs Denkapparat läuft sichtlich auf Hochtouren. Die Verblüffung ist ihm anzumerken; zu plötzlich, zu unerwartet kommt dieser Umschwung, um entsprechend darauf reagieren zu können. Seine Augen beginnen zu flackern, seine Bewegungen werden zögerlich. Krotznig fällt aus der Rolle, gerät in die Defensive. Langsam weichen seine Beine nun zurück, während sein Mund nach jenem überlegenen Lächeln sucht, das Lehrer aufzusetzen pflegen, wenn sie ihre Schüler nicht zu zähmen vermögen.
    «Du willst es net anders, Burli   … Du willst es ja net anders   …»
    Schwacher Versuch. Der Lemming drängt weiter nach vorne. Schon stößt Krotznig mit seinem verlängerten Rücken an eine der beiden Bügelmaschinen, die breit und wuchtig im Raum stehen.
    «Nein, Herr Major, ich will es nicht anders   … Komm schon, drück ab, und die G’schicht hat ein Ende, für mich jedenfalls. Aber zahlen wirst
du
dafür, das schwör ich dir   … Gleich wird’s wieder da sein, dein Hausherrentochterl, und die Spurensicherung dazu   … Mehr brauch ich dir nicht zu erzählen: Schmauchspuren auf deiner Hand und auf meinem Kopf, verbrannte Wundränder, keine Spur von Kampf oder Notwehr   … Der Bernatzky ist kein Trottel, der weiß genau, was g’spielt wird. Und dass ich mit den zwei Morden nix zu tun hab, das wird sich auch noch herausstellen   … Und dass du   … dass du   … die Klara   …»
    «Die Klara, die Klara   …» Krotznig schüttelt den Kopf undseufzt theatralisch. «Weißt was, Lemming, i mach dir an Vorschlag: I derzähl dir was von deiner Klara, und du hörst dafür auf mit deine Spompanadeln. Und wenn i fertig bin, dann rennst   … A faire Chance, a faires G’schäft   …»
    Er meint es ernst. Krotznig meint es tatsächlich ernst; er feilscht mit seinem Opfer um die Modalitäten der geplanten Hinrichtung. «Na, was is jetzt?»
    «In Ordnung   …»
    Der Lemming nickt. Senkt dann den Kopf. Markiert Erschöpfung, Resignation. Macht einen Schritt zur Seite und lehnt sich neben den Major, wie um sich für den Endspurt seines Lebens auszuruhen. Halb geschlossen sind jetzt seine Lider, aber sein Blick bleibt wachsam – er richtet sich unverwandt auf den braunen Ledergürtel, der auf der leicht gewölbten Blechverkleidung der Wäschemangel zu liegen gekommen ist.
    «Also pass auf», beginnt Krotznig. «Erstens einmal steckt der Onkel Adi sei’ Zumpferl net in jede Kloaken, und scho gar net, wenn s’ vorher von dir versaut worden is   …»
    Er verzieht den Mund zu einem abfälligen Grinsen, indessen die Hand des Lemming im Zeitlupentempo über das Bügelblech wandert.
    «Und zweitens hat si’ dein Klaraschatzi an neuen Bettgenossen zug’legt. Die lasst nix anbrennen, die Madam   … Net dass d’ glaubst, i red von dem verlausten Hundsviech, dem stinkerten, obwohl s’ mit dem sicher auch   … Aber wurscht   … Schwarzenegger, sag i nur: ein Body wie Kanon, der Barbier. Genau so a Kraftlackel geht jetzt bei ihr ein und aus, dreimal am Tag, von hint’ und von vorn   …»
    Krotznig nähert sich dem Ende der Geschichte, und die Spitze seines Gürtels nähert sich dem Schlund der Wäschemangel, züngelt in die enge Spalte zwischen Blech und Walze.
    «Es is tragisch, Burli, gell, tragisch, aber dein verkümmertesBrunzwimmerl war der Frau Doktor wahrscheinlich net groß genug   … Die braucht uns jetzt nimmer, die hat uns eiskalt den Weisel ’geben   …»
    Krotznigs Worte tun ihre Wirkung. Der Lemming schluchzt auf und vergräbt das Gesicht in den Händen. Er krümmt sich zusammen, wendet sich wimmernd ab und dem kleinen Schaltbrett an der Seite der Bügelmaschine zu.
    «Oh, wie so

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