Lena Christ - die Glueckssucherin
Schwiegereltern ihren Besitz nicht so demonstrativ präsentierten wie ihre eigene Familie. Statt Protz Gediegenheit und auf dem Kaffeetisch »zierliche Tassen und Kannen, deren eine jede in einem bunt bemalten Kranz die goldene Inschrift trug: Lebe glücklich!«
Am nächsten Sonntag revanchierten sich Lenas Eltern mit einer Gegeneinladung des Bräutigams und seiner Eltern. Magdalena Isaak führte Regie und gab allen Beteiligten genaue Anweisungen, nachdem sie die Wohnräume repräsentativ hergerichtet hatte. Sie forderte Lena sogar auf, etwas auf dem Klavier vorzuspielen, und behauptete, sie sei es gewesen, die den Musikunterricht ihrer Tochter befürwortet hätte. Erst als Josef Isaak mit einiger Verspätung dazukam, wurde von der Hochzeit gesprochen. Dabei entstanden einige Irritationen. Zunächst machte der Bräutigam seiner zukünftigen Schwiegermutter ein etwas zu anzügliches Kompliment über ihr jugendliches Aussehen – »wie a eiserne Venus«. Um die allgemeine Verlegenheit zu überspielen, zeigte Lena ihrem Bräutigam das Kästchen, in dem sie ihre Briefe, Karten und Souvenirs aus der Klosterzeit aufbewahrte. Er wunderte sich, dass die Post an »die Jungfrau Magdalena Christ« adressiert war. Ihre Mutter ahnte als Erste den Verlauf, den das Gespräch unaufhaltsam nehmen würde, und gestand sofort das »Unglück«, das sie in jungen Jahren ereilt hatte. Die zukünftigen Schwiegereltern, besonders Frau Leix, waren konsterniert, auf diese Weise zu erfahren, dass Lena ein uneheliches Kind war. Schließlich retteten die Männer die Situation: Lenas Stiefvater erzählte die Zeitraffer-Version der Geschichte: Nachdem Lenas Vater Karl Christ mit der Cimbria untergegangen sei, habe er die Mutter geheiratet. So eine gefährliche Sünde sei es nicht, beschloss der alte Leix und zeigte sich pragmatisch – entscheidend sei vielmehr, dass Lena eine anständige Mitgift in die Ehe einbringe. Dafür konnten Lenas Eltern garantieren: Neben der Brautausstattung sicherten sie ihr 30 000 Mark Muttergut und 8000 Mark Vatergut zu, das auf der Bank bereitliege. Es war diese Angabe in Lena Christs Erinnerungen , die bei Erscheinen des Buches das Rätsel um den verschwundenen Vater wieder ins öffentliche Bewusstsein rief und für neue Spekulationen sorgte. Wenn der Vater seit über zwanzig Jahren verschollen war, woher sollte dann die Mitgift kommen? Doch weder Lenas Bräutigam noch ihre Schwiegereltern interessierten sich damals für diese Frage, sie waren zufrieden über die finanzielle Absicherung. Nun sei sie zwar zu einer Braut geworden, habe aber »im übrigen wie zuvor« gelebt, kommentierte Lena Christ die Verlobung in ihrem Buch.
Im Haus der Schwiegereltern wurde dem jungen Paar eine Wohnung eingerichtet: man tapezierte Wände, lackierte die Böden, renovierte die Küche, baute ein Bad ein. Alle halfen mit. Die Schwiegermutter füllte die Betten mit Daunen, um für die Volksweisheit »Wer sich gut bettet, liegt gut« eine Grundlage zu schaffen. Lenas Stiefvater ließ die Möbel anfertigen, »alles sollte altdeutsch werden«, die Mutter kaufte das Porzellan und die Gläser. Lena interessierte sich besonders für das Brautkleid, erschrak jedoch, als sie hörte, wie teuer es war. Doch die Mutter verteidigte die Ausgabe, die einmal mehr unterstreichen sollte, dass ihre Tochter aus gutem Hause kam. Lena ließ sich von dieser Ausstaffierungswut mitreißen, die Eitelkeit siegte über die Bedenken, obwohl ihr bewusst war, dass all die Gaben und Wohltaten eigentlich nicht ihr galten, sondern zur Inszenierung der Mutter gehörten.
Die Unterweisungen des Pfarrers zur christlichen Ehe hörte sich das junge Paar gemeinsam an, der Bräutigam war zu Tränen gerührt, während die Braut die Predigt pflichtgemäß über sich ergehen ließ. Dementsprechend übermütig war ihre Reaktion, als sie das Pfarrhaus verließen. »Juhu, g’heirat werd! Da derf i mit der Scheesn fahrn und hab an Schlepp und a seidens G’wand, juhu!« Doch in den Tagen vor der Hochzeit zeigte sich die Mutter von ihrer unangenehmsten Seite, verwehrte zum Beispiel Lena den Urlaub, den diese dringend zum Einrichten der neuen Wohnung brauchte. Es brodelte schließlich allerorten unter der friedlichen Oberfläche. Auch mit ihrem zukünftigen Mann gab es erste Auseinandersetzungen, weil Lena im Gegensatz zu ihm getrennte Betten haben wollte. Erst nachdem er sie auf die Ermahnungen des Pfarrers hingewiesen hatte – »Das Weib muss dem Mann gehorchen« –, gab sie
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