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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunna Wendt
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fahren. Instinktiv spürte sie, wie wichtig der erste Auftritt im Rahmen ihrer Rückkehr war. Verlassen hatte sie das Haus als Geschlagene, Gedemütigte, die keinen Ausweg wusste. Zurück kam sie als eine, die wusste, was sie wollte. »Du kommst ja daher wie a Prinzessin; ma kennt di kaam mehr!«, bestätigte ihr der Vater. Dabei waren gerade einmal zwei Monate vergangen. Sein Staunen wurde noch größer, als sie ihre Ersparnisse und Geschenke zeigte. Auch die Mutter war kleinlaut. Beide Eltern versprachen, sich in Zukunft so zu verhalten, dass Lena keinen Grund zur Flucht mehr haben sollte.
    Die Floriansmühle-Episode hatte großen Eindruck auf die Familie gemacht und Lenas Stellung verändert. Sie hatte sich Respekt verschafft – nachhaltig. Mit ihrem selbstbewussten Auftritt hatte sie demonstriert, dass sie ihr Leben im Griff hatte und sich auch nicht mit dem Ballast der furchtbaren Erlebnisse beschweren wollte. Sie war willens, unter das Erlebte und Erlittene einen Schlussstrich zu ziehen, und bereit zu einem Neuanfang. »Vergessen war jetzt für mich alles, was einmal geschehen, und ich freute mich wieder des Elternhauses und ging munter an die Arbeit.«
    Gleich im Anschluss an dieses Bekenntnis wird ein rauschendes Fest geschildert: In der unmittelbaren Nachbarschaft luden zwei Bauherren zum Richtfest – »Hebebaum- oder Hebeweinfeier« – ein. Die Erzählung folgt so unvermittelt auf ihren Einstand zu Hause, dass es scheint, als sei sie als dramaturgische Finesse von Lena Christ eigens eingefügt worden, um den neuen Lebensabschnitt gebührend zu würdigen und sich selbst zu feiern. Sie betrachtete sich »mit geheimem Wohlgefallen« im Spiegel und urteilte, sie sei eine »stattliche Dirn« geworden. Das unterstrich sie mit hübscher Kleidung: Zu den Wirtschaftskleidern aus feiner blauer Mousseline mit weißem Batistkragen, die ihr die Mutter nähen ließ, trug sie weiße Spitzenschürzen und eine Korallenkette. Sie war modebewusst und anspruchsvoll, trug nur Lackschuhe, die ihr der Vater beim sogenannten Revolutionsschuster in der Maxvorstadt kaufte: jedes Vierteljahr ein neues Paar. »Mein reiches blondes Haar hatte ich zierlich geflochten und als Krone aufgesteckt; in die Stirn hingen ein paar natürlich aussehende, wirre Löckchen, die ich jeden Abend mittels einer Haarnadel kunstvoll wickelte.«
    Es kam, wie es kommen musste, ein regelrechter »Freierkrieg« brach um Lena aus: Ihr gutes Aussehen, ihr freundliches Wesen und ihre beträchtliche Mitgift waren eine nahezu unschlagbare Mischung, die junge Bürgerssöhne genauso anzog wie ältere Heiratswillige. Ausführlich beschreibt Lena Christ die Reihe der Bewerber. Es liest sich wie das Märchen vom »König Drosselbart«, in dem die verwöhnte Prinzessin sofort den jeweiligen Makel eines Freiers erkennt: Der junge Drechsler aus Traunstein hatte noch nichts vorzuweisen und schien nicht ganz gesund. Der alte Briefträger spekulierte offensichtlich auf ihre Mitgift. Der Bräumeisterssohn trank schon in jungen Jahren. Der Schlossermeister aus Glonn war verwitwet und hatte drei Kinder, was Lena zögern ließ. Der Schneiderssohn hatte große Reisepläne, wollte ihr die Welt zeigen, doch dafür hatte er viel zu wenig Geld. Der Eisenbahnexpeditor war ihr zu grob, der Hausbesitzer zu sanft, wieder ein anderer, der Tändler, war zwar reich, aber geizig. Bei einem sagte ihr der Beruf – Ofensetzer – nicht zu, beim Nächsten gefiel ihr zwar der Beruf – Feinbäcker –, aber noch besser sein zwanzigjähriger Sohn. »Stundenlang saß er da und starrte mich wortlos und wie in Verzückung an, trank dabei seine zwölf bis fünfzehn Glas Bier und schien außer mir nichts mehr zu hören und zu sehen.« Weil er zu spät in der Kaserne ankam, wurde er mit Arrest bestraft.
    Da trat schließlich ein »sorgfältig gekleideter junger Mann, mit einem großen Strauß Veilchen in der Hand« auf den Plan. Benno Hasler nennt ihn Lena Christ in den Erinnerungen . Er ist das Alter Ego ihres Ehemanns Anton Leix. Einen »stattlichen Bewerber« hatte der Vater angekündigt und damit nicht zu viel versprochen. Als sie den jungen Mann begrüßte, brachte er sein Anliegen sofort vor. Er habe sie beobachtet und gleich gewusst, sie könne ihn glücklich machen. Geld spiele dabei überhaupt keine Rolle, er habe es nicht nötig, darauf zu schauen. Anton Leix war kaufmännischer Angestellter, Buchhalter in einer Käserei, und stammte wie Lena aus der bürgerlichen Mittelschicht. »Ich

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