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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunna Wendt
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den Gesetzen ihrer eigenen Bühne: »Ich lege mir eine Kopfhaltung zurecht, versuche einen ruhigen Gesichtsausdruck.« Auch in diesem Fall gelingt es ihr, die Situation durch Selbstinszenierung unter Kontrolle zu bekommen – eine Performerin, die ihre Kunst überall ausüben kann: »Die größte Mühe hab ich mir gegeben, meine Unschuld zu verbergen. Es ist mir gelungen! Ich hatte den Triumph, dass man mich mehr verdächtigte, als ich erwarten konnte. Va bene … Das Leben ist ein Spiel.«
    Auf den ersten Blick scheint ein solcher Satz Lena Christ fern zu liegen. Sie war zu stark beeinflusst von der Idee des letztlich alles bestimmenden Schicksals. Dieser Glaube hinderte sie daran, das Leben als Spiel zu betrachten. Spiel bedeutet die halbwegs gleichberechtigte Mischung aus Strategie und Glück. Regiert das Schicksal, behalten Glück – oder Unglück – die Oberhand. Dagegen ist mit Strategie wenig auszurichten. Vielleicht war es diese Lebensphilosophie, gespeist aus Katholizismus und Aberglaube, die Lena Christ letztlich zum Verhängnis wurde. Die Kraft und die Klugheit, ihr Leben selbst zu bestimmen, hätte sie gehabt, doch als sie in Not geriet, dominierten böse Prophezeiungen, Verfluchungen und erstickten ihren Überlebenswillen.

13
Der Entdecker
    Den Lebensunterhalt für sich und ihre Töchter konnte Lena Christ weder durch Gelegenheitsprostitution noch durch Schreibaufträge sichern. 1910 schalteten sich die Behörden ein. Der Armenrat der Stadt München sorgte dafür, dass die beiden Mädchen in die klösterliche Kinderanstalt in Moosburg aufgenommen wurden. Ihre völlig erschöpfte und entkräftete Mutter wurde ins Schwabinger Krankenhaus eingeliefert.

    18 Schwabinger Krankenhaus, 1904
    Lena Christs Erinnerungen enden, bevor ihre Existenz als Schriftstellerin und Ehefrau von Peter Jerusalem beginnt. Am Schluss steht die Erkenntnis, das Leben habe ihr gezeigt, dass sie nicht das war, wofür sie sich selbst gehalten hatte: eine Überflüssige. Maßgeblichen Anteil daran hatte Peter Jerusalem, zu dem sie 1911 als Schreibkraft kam. Der Satz »Doch das Leben hielt mich fest« bedeutet, dass sie sich damals von ihm gestützt fühlte. Dieser Mann bildete nicht nur den von ihr so dringend benötigten Ruhepol, sondern wies ihr gleichzeitig die Fluchtlinie, die ihr eine Perspektive bot: das Schreiben. In seinem Buch Der Weg der Lena Christ , das 1940 im Adolf Luser Verlag in Wien erschien, staunt der Autor gleich auf der ersten Seite über die Erzählkunst der »Frau, die seit zwei Wochen als Diktatschreiberin« bei ihm tätig war. Obwohl er in literarischen Kreisen verkehrte, hatte er eine derartige Begabung bisher nicht kennengelernt: »Was diese Frau jedoch erzählte, das geschah überhaupt erst im selben Augenblick, da es von ihren Lippen kam.«

    19 Peter Jerusalem um 1916
    Peter Jerusalem stammte aus Kassel, kam dort am 19. Juli 1877 als Sohn des Volkswirts und Redakteurs Traugott Jerusalem und seiner Frau Alida, geb. von Safft, zur Welt. Nach dem Tod ihres Mannes zog die Mutter 1901 mit ihren drei Söhnen nach München. Schon in der Jugend waren Peters Begabungen und Interessen vielfältig, er probierte vieles aus. Zunächst galt seine Leidenschaft der Malerei, dann der Literatur. Er schrieb Theaterstücke und inszenierte sie mit seinen Brüdern und sich selbst als Darstellern. Den Plan, Schauspieler zu werden, gab er nach einer Weile wieder auf und entschied sich für einen »Brotberuf«. Er machte eine Lehre als Verkäufer in einem »Damenmantelgeschäft«, danach wandte er sich wieder der Malerei zu. Seine abgebrochene Schulbildung setzte er später fort, um studieren zu können: zuerst Medizin, dann Philosophie. Doch er schloss keines dieser Studien ab, sondern wandte sich erneut den Künsten zu, diesmal der Musik – besonders dem Gesang –, der Bildhauerei und der Kunstgeschichte. Er reiste viel, bis er sich schließlich als »Dorfschullehrer« im Odenwald niederließ. Dort hielt er es nicht länger als zwei Jahre aus, bis er wieder nach München ging. Er begann zu schreiben, übersetzte und war als Herausgeber tätig, führte somit ein Leben, das in der Schwabinger Boheme nicht ungewöhnlich war. Selbsterfahrung, Freiheit, Unabhängigkeit waren Werte, die dort höher angesehen wurden als Erfolg und Karriere. In dem Sinne war er weder ein Versager noch eine »halbgestrandete Existenz«, als die er zeitweise tituliert wurde. »Ich wollte etwas Besonderes, aber dazu reichte meine Begabung wohl

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