Lenke meine Fuesse Herr
verschlägt es mir den Atem: gewaltig! Ich knie an der hintersten Bank und danke Gott für seinen Schutz und seine Führung bis hierher, bitte für meine Lieben und für meinen weiteren Weg.
Die Kirche ist gesteckt voll, sogar zusätzliche Bänke hat man hineingestellt. Hinter einer Absperrung huscht ein Mönch vorbei und ich frage ihn nach einem Jakobusaltar. „Einen Altar des heiligen Jakobus haben wir nicht, aber im Chor eine Statue! Haben Sie einen bestimmten Grund, gerade ihn zu suchen?“ — „Ja, wissen Sie, ich bin auf dem Weg nach Santiago...“ — „Ah, ich verstehe! Wir haben eine Statue im Chor — aber das ist jetzt ungünstig: Das Hochamt hat begonnen — heute ist nämlich der nationale Pilgertag!“ Doch dann öffnet er mir das Gitter und führt mich durch Klosterbereiche an die Seite des Chores — während am Hochaltar der Bischof die Messe zelebriert. Jenseits ein überlebensgroßer Jakobus, kenntlich an Hut, Stab und Muschel.
Der Klosterbruder übergibt mich an den Bruder Pförtner, der mir meinen Pilgerpass abstempelt. „Sie sehen müde aus“, sagt er und bietet mir Quartier an. Doch ich will weiter, heute noch nach Hagenegg. Vor der Kirche suche ich nach einer Jakobsmuschel. Die Verkäuferin in einem der vielen Devotionalienstände hat tatsächlich eine, doch die ist nicht gelocht — und sonst hat sie nur noch ein paar scheußliche, schwere, aus „Silber“. Schade, nicht mein Fall! Während ich noch mit ihr schwatze, kommt eine junge Frau mit einem vollen Kaffeebecher zwischen den Zähnen dazu. Ich frage, wo es den Kaffee gäbe und sie zeigt quer über den Platz, bergab. Da meine ich, das müsse ich mir zweimal überlegen, für einen Kaffee da hinzustiefeln, bergab und bergauf! Da lacht sie, schaut auf meinen Rucksack und schenkt mir ihren Kaffee!!
So gestärkt geht es weiter. Nach einer kurzen Rast am Ortsausgang geht es immer leicht bergan ein Tal entlang, am Kloster Au vorbei. Dort könnte man um Unterkunft bitten, doch es ist mir noch zu früh. Einige hundert Meter weiter sehe ich um ein Scheuneneck jemanden verschwinden, der mir recht bekannt vorkommt. Ich komme hin: Recht hatte ich — Inge vom Hörnli! Sie hat in Einsiedeln eine Adresse von einer Pilgerunterkunft bekommen, in Alpthal, kurz bevor es hinaufgeht nach Hagenegg. Ich beschließe, auch dort zu bleiben und den Weg über den Pass morgen mit frischen Kräften anzugehen. Wir kommen an der schönen alten Schule vorbei und finden auch richtig das Anwesen der Schülers, wo Pilger aufgenommen werden. Der Hund an der Kette bellt, ist aber freundlich, die Matratzenlager sind offen — herrlich primitiv — aber niemand ist da. Wir wollen nicht mehr weiter, teilen meinen Tee, sonnen uns.
Es wird halb sechs. Zwei Pilger aus Lohr am Main kommen vorbei, alte Santiagowanderer, die jetzt nach Rom unterwegs sind. Die Matratzenlager sagen ihnen nicht zu — sie wollten eigentlich im Nachbarhaus Zimmer nehmen, wurden aber per Zettel hierher verwiesen. Inge tauscht mit ihnen Jakobswegerinnerungen aus. Die Sonne verschwindet, es wird empfindlich kühl und die Lohrer entschließen sich: Sie fahren mit dem Bus nach Brun-ni, übernachten dort, fahren morgen wieder hierher zurück und wandern weiter.
Endlich kommt eine junge Frau angefahren mit ihrer vielleicht zwölfjährigen Tochter. Sie hatte uns schon ins Dorf kommen sehen, aber nicht geglaubt, dass wir zu ihr wollten, und so ist sie mit der Tochter einkaufen gefahren. Es gibt noch einen großen Topf Spaghetti mit Tomatensoße, hinterher Brot und Käse — köstlich! Ich esse zwei Riesenteller, trinke Leitungswasser literweise. Gegen zehn Uhr verkriechen wir uns in dem umgebauten Lieferwagen, der heute unser Quartier ist, und ich schlafe blitzschnell ein.
13. Mai 2005
Alpthal — Brunnen — Beckenried 20 km + 12 km Schiff
Um halb sieben Frühstück in einer wunderschönen Bauernstube, mit herrlichem beerenreichem, selbst gemachtem Müsli, eigener Marmelade und gutem Brot. Um sieben Uhr sind wir auf dem Weg. Es geht steil bergan (500 Höhenmeter), doch ich laufe langsam mit Pausen wie Inge und so sind wir fast in der „Wanderführerzeit“ auf dem Hagenegg. Herrlicher Ausblick hinab auf den Vierwaldstädter See mit Schwyz und Brunnen. Neben uns die beiden Mythen — wir sind am höchsten Punkt unserer Schweizdurchquerung. Beim Aufstieg hat es geregnet. Nun geht es steil fast 1000 Meter abwärts nach Schwyz!
Gestern hatte ich feststellen müssen, dass meine guten Wandersocken
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